1325 - In der Höhle des Löwen
versuchen.«
»Und Glenda gibt es auch noch.«
»Leider.«
Die Sommernacht war lau. Der Wind hatte den Himmel freigefegt, und der fast volle Mond stand wie ein blasses Auge und glotzte auf die Welt, in der so viel Schreckliches passierte.
Wenig Betrieb herrschte auf den Straßen. Suko konnte ziemlich schnell fahren, und das tat ihm gut. Er hatte das Gefühl, dass jede Sekunde wichtig war. So dachte auch Shao, die neben ihm saß.
Die Gegend, in der die Conollys wohnten, glich einer ruhigen Insel. Die Hektik der Metropole lag weit entfernt. Kleine Straßen, gesäumt von hohen Bäumen.
Sie kannten den Weg. Suko fuhr trotzdem nicht viel langsamer.
Er spürte den innerlichen Drang, so rasch wie möglich ans Ziel zu gelangen, und wenn er in die engen Kurven fuhr, dann quietschten hin und wieder die Reifen.
Shao saß weiterhin neben ihm, ohne ein Wort zu sagen. Ihre Brüste hoben und senkten sich bei den Atemzügen. Dann bewegte sich auch das weiße nabelfreie Top mit dem Blumenmuster auf der Vorderseite.
Suko nahm die letzte Kurve. Diesmal etwas vorsichtiger. So protestierte kein Reifen mehr. Der schwarze BMW glich einem Schatten, und nur die sternförmigen Felgen glänzten matt.
Bills Haus lag an der linken Seite, ebenso zurückgezogen von der Straße wie die anderen. Nur war es zu sehen, während sich viele Bauten hinter hohen Bäumen versteckten.
Suko ließ den Wagen ausrollen.
»Willst du nicht direkt bis zum Haus fahren?«, fragte Shao. Sie deutete auf das offene Tor.
»Nein.«
»Warum nicht?«
Suko lächelte. »Ich kann dir den genauen Grund nicht nennen, Shao, aber ich höre diesmal wirklich auf mein Gefühl.«
»Wie du willst.«
Sie standen. Im Wagen war es zu eng, um sich die Umgebung zu betrachten. So mussten sie aussteigen, was Suko als Erster tat. Auf der rechten Seite öffnete er recht behutsam die Tür und wollte auch sein Bein aus dem Wagen strecken, als er es wieder zurückzog.
»Was ist los?«, fragte Shao.
»Etwas stimmt nicht.«
»Und was nicht?«
Der Inspektor hob die Schultern. »Ich kann es dir nicht genau sagen, aber da geht mir schon etwas quer.« Er zog die Tür nicht zu und lauschte mit angehaltenem Atem.
Auch Shao hielt den Mund. Beide blieben noch im BMW sitzen und lauschten.
Sie hörten es.
Es war ein Geräusch, das beide nicht so recht einstufen konnten.
Es passte nicht in die Stille hinein. Es hatte auch nichts mit den Autos zu tun, die in den anderen Straßen unterwegs waren. Das Brummen eines Motors klang sehr weit entfernt, aber das andere Geräusch war praktisch über und neben ihnen.
Shao schnippte kurz mit den Fingern und flüsterte: »Es hört sich an, als wären jede Menge Vögel unterwegs.«
»Vögel?«, fragte Suko.
»Ja, und…«
»Sorry, Shao, aber das sind keine Vögel. Ich denke, das sind unsere Freunde.«
Sie sagte nichts mehr. Shao schaute zu, wie Suko den Wagen verließ und sich umsah.
Er blickte zum Himmel, an dem der bleiche Mond wie ein leicht bewölkter runder Spiegel stand, aber er ließ seinen Blick auch durch den Garten schweifen.
Ebenfalls zum Haus hin.
Und da sah er es. Das Außenlicht brannte. Die Laternen im Garten strahlten ebenfalls Helligkeit ab. Da wurden normale Büsche zu bleichen Gestalten. An einigen Stellen sah der Rasen aus wie mit hellem Staub bepinselt, doch das alles interessierte Suko nicht.
Für ihn waren die fliegenden Vampirmonster wichtig, die sich in der Nähe des Hauses aufhielten und ihre Kreise auch über dem Dach drehten.
Suko blieb stocksteif stehen und beobachtete nur. Shao hatte den BMW ebenfalls verlassen und war an seine Seite getreten.
Zu erklären brauchte Suko ihr nichts, denn auch sie sah es mit eigenen Augen.
»Das… das … ist doch nicht möglich …«
»Keine Täuschung, Shao. Sie sind es. Und es sind verdammt viele Bestien.«
Das Haus war das Ziel des Angriffs. Immer wieder wurde es umrundet oder überflogen. Aber die Conollys hatten rechtzeitig genug reagiert und es zu einer Festung gemacht. Dass Rollos die Fenster von außen bedeckten, sahen sie selbst vom Tor her.
Hin und wieder hörten sie das Geräusch des Aufpralls, wenn die eine oder andere Bestie es versuchte, aber immer wieder an den Rollos abprallte. Lange würden sie das Spiel nicht durchhalten, davon ging Suko aus. Sie würden dann nach einer anderen Möglichkeit suchen, um in das Haus zu gelangen, und davon gab es welche.
Suko sah, dass das Dach für die Wesen interessant geworden war. Nicht alle streiften darüber hinweg.
Weitere Kostenlose Bücher