1325 - In der Höhle des Löwen
Cavallo eine normale Unterhaltung zu führen. Es war sogar mehr als das. Ich sprach mit ihr und sie mit mir als wären wir Partner. Das hatte ich mir auch nicht träumen lassen.
Genau das ist es auch, was das Leben ausmacht. Immer wieder gibt es die überraschenden Wendungen, die niemand voraussehen kann. Dann kommt es eben zu derartigen Allianzen.
»Strategie?«, wiederholte Justine.
»Sicher. Wir müssen uns etwas ausdenken und zurechtlegen.«
Sie ballte die Hände zu Fäusten und zeigte dabei wieder eine menschliche Reaktion. »Es gibt nur den Kampf. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Auch das kann man anders sehen.«
»Tatsächlich?«, fragte sie, ohne das Skelett und seine Helfer aus den Augen zu lassen.
Ich hatte mir schon etwas überlegt und rückte auch mit der Sprache heraus. »Wir werden unsere Freunde nicht hier vor der Hütte erwarten. Es gibt hier keine Deckung. Wir stehen einfach zu sehr auf dem Präsentierteller. Wir haben die Augen nicht überall. Wir wollen es ihnen nicht zu leicht machen.«
»Das will ich sowieso nicht.«
»Dann ins Haus!«
Justine blickte mich kurz an. Sie überlegte, ob ich es wohl ernst gemeint hatte.
»Ja«, bestätigte ich. »Wir müssen ins Haus. Nur dort haben wir eine geringe Chance. Die Mauern geben uns so etwas wie Schutz. Wir stehen ihnen nicht im Weg. Sie können uns nicht abpflücken wie reifes Obst, und selbst der Schwarze Tod muss ein Hindernis überwinden.«
Justine überlegte noch. Sie schaute nach vorn. Einige Male setzte sie zum Sprechen an. Möglicherweise wollte sie mit einem anderen Vorschlag herausrücken, aber sie hatte keinen besseren und nickte mir schließlich zu.
»Also doch?«
»Ja.«
»Dann los!«
Justine ging sogar als Erste. Sie huschte über den Boden hinweg und blieb an der Tür stehen, und zwar so, dass sie zurückschauen konnte und auch mich sah.
Ich wartete noch einen Augenblick. Das Bild, das sich mir bot, war auf eine gewisse Weise schaurig schön. Es ließ mich nicht unberührt, und ich spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken rann.
Vor dem dunklen Hintergrund wirkten der Schwarze Tod und seine Helfer wie ein schauriges Gemälde. Leider war es kein Kunstwerk, sondern die Realität, die sich uns immer mehr näherte.
Auch für mich wurde es Zeit, denn die ersten Vampirmonster flatterten bereits heran. Ihre Schreie erreichten schon meine Ohren.
Hohe, dünne und schrille Laute, die auch von einem verstimmten Instrument hätten stammen können.
Sie gierten darauf, ihre Zähne in meinen Hals schlagen zu können, aber da hatten sie sich geirrt. Ich würde es nicht zulassen und zumindest einige von ihnen zur Hölle schicken.
Justine erwartete mich an der Tür. Ich sah ihr kaltes Lächeln, das harte Funkeln in den Augen, den halb geöffneten Mund, sodass sie ihre beiden Vampirhauer präsentierte, die in diesem Fall überhaupt nichts wert waren. Das wusste sie auch. Wenn sie jetzt kämpfte, würde sie sich mit Händen und Füßen verteidigen müssen.
Ich drückte mich an Justine vorbei in die Hütte. Wir schlossen die Tür. Von der Helligkeit her hatte sich kaum etwas verändert. Auch hier herrschte keine tiefe Finsternis, sondern diese fahle Dunkelheit mit dem seltsamen Grauton. Wir konnten alles erkennen, und mein Blick glitt über die Fenster hinweg, die ebenfalls aus grauen Scheiben bestanden.
Justine sagte nichts. Sie wartete darauf, was wohl geschehen würde.
»Wie war das mit deiner Strategie, Sinclair?«
»Ganz einfach. Sie bauen sich um die verschiedenen Seiten der Hütte auf. Ich gehe davon aus, dass uns die Masse umzingeln wird, um dann von mindestens zwei Seiten anzugreifen. Ich denke nicht, dass sie in der Lage sind, das Holz zu zerstören. Meiner Ansicht nach müssen sie es einfach durch die Fenster versuchen.«
»Haben wir sie dann?«
»Ich hoffe es.«
Justine legte den Kopf zurück und musste lachen. »Du machst es dir sehr einfach, Sinclair. Du hast den Schwarzen Tod vergessen. Der wird sich kaum durch ein Fenster quetschen.«
Ich hob das Schwert des Salomo an. »Er will mich. Und ich werde mich gegen ihn zu wehren wissen. Die Klinge ist auch die ideale Waffe, um Angreifer in zwei Hälften zu schlagen. Genau darauf setze ich.«
Justine bedachte das Schwert mit einem scheuen Blick. Möglicherweise dachte sie daran, dass ich es auch gegen sie einsetzen konnte. Unrecht hatte sie nicht. Ich hätte es auch getan, um sie zu vernichten, allerdings nicht jetzt, wo wir aufeinander angewiesen waren. Wenn ich
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