1327 - Lady Sarahs Totenfrau
Tudorstil gebaut und hell angestrichen war.
Große Fenster, kompaktes Mauerwerk. Und Schilder vor dem breiten Eingang, die darauf hinwiesen, wer hier alles residierte. Es waren die verschiedensten Firmen, die sich in diesem Bau niedergelassen hatten, in dessen Innern eine angenehme Kühle herrschte.
Die alte Bausubstanz war zwar erhalten geblieben, aber auch die Moderne hatte Einzug gehalten. Wir sahen sie in Form einer gläsernen Portierloge oder eines Tresens, hinter dem ein Mann in uniformähnlicher Kleidung saß und dezent jeden Besucher musterte.
Das taten auch die beiden Typen im Hintergrund, die es sich in einer Sitzecke bequem gemacht hatten, aber wie Leibwächter aussahen und nicht wie normale Besucher.
Der Portier schaute uns entgegen. Er hatte eine neutral-freundliche Miene aufgesetzt und nickte, als wir vor seinem Desk stehen blieben.
Ich überließ Jane das Reden. Sie klärte die Sachlage, und der Portier telefonierte. An seinem erneuten Nicken erkannten wir, dass er zufrieden war. Er erklärte uns, dass bald jemand erscheinen würde, um uns abzuholen.
»Danke«, sagte Jane.
Wir hätten uns hinsetzen können, doch darauf verzichteten wir.
So lange würde es nicht dauern. Und wir hatten richtig getippt.
Eine der beiden Aufzugtüren schwang auf und entließ eine dunkelhaarige Frau im hellen Sommerkostüm, die lächelnd auf uns zukam.
»Miss Collins und Mr. Sinclair?«
»Ja.«
»Bitte, kommen Sie mit mir.«
Wir stiegen in die vornehm ausstaffierte Kabine, die innen mit Samt ausgekleidet war.
Lautlos glitten wir hoch bis in die zweite Etage. Unsere Begleiterin sprach dabei kein Wort. Auf den Lippen blieb das neutrale Lächeln und verschwand auch nicht, als wir ein Büro betraten, in dem drei weitere Mitarbeiterinnen saßen, die telefonierten oder mit irgendwelchen Papieren beschäftigt waren.
Die Frau nahm hinter einem Schreibtisch Platz, auf dem ein Schild mit dem Namen Cora Mannix stand.
Ich wollte hier nicht länger warten, sondern zu Sir William Preston, und fragte deshalb: »Können wir nicht zu Ihrem Chef? Schließlich waren wir verabredet.«
»Doch, natürlich. Ich bin leider nur gezwungen, Ihre Personalien festzustellen. Das gehört eben dazu.«
Wenn davon ihre Seligkeit abhing, wir taten ihr den Gefallen, und Cora Mannix zeigte sich zufrieden.
Sie führte uns danach zur Tür, die sehr wuchtig und auch dicht aussah. Dahinter lag das Allerheiligste, in das wir eintreten durften, nachdem unsere Namen genannt worden waren.
»Ja, dann kommen Sie doch näher«, begrüßte uns Sir William Preston. Er war ein Mann, der das Pensionsalter bereits erreicht hatte, aber vorläufig wohl nicht daran dachte, aufzuhören. Er sprühte noch vor Vitalität und Einsatzwillen.
Korrekt gekleidet war er in seinem Tweedsakko, dem gestreiften Hemd und der unifarbenen Krawatte. Das graue Haar lag noch in dichter Fülle auf seinem Kopf, und die Haut in dem etwas kantigen Männergesicht zeigte eine tiefe Bräune. Sein Händedruck war fest.
Preston führte uns über den beigefarbenen Teppichboden auf eine Sitzecke zu. Auf dem Tisch aus hellem Holz standen Getränke bereit, und es lag dort auch eine noch zugeklappte Mappe. Ich nahm an, dass sich darin das Testament der Lady Sarah Goldwyn befand.
Für einen Schluck Mineralwasser waren Jane und ich dankbar.
Auch der Notar gönnte sich ein Glas.
Tief atmete er ein. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Leid es mir um Lady Sarah tut. Sie war eine patente Frau und wurde komischerweise nie alt. Sie hat sich immer die Frische der Jugend bewahrt. Wir haben uns öfter getroffen. Sie hat auch von Ihnen erzählt und ebenfalls von ihren Abenteuern, die sie erlebte. Vieles davon war für mich unglaublich, aber sie konnte mich überzeugen. Ich habe sie vor den Gefahren gewarnt, denen sie sich immer wieder aussetzte, aber sie wollte nicht hören.« Er schüttelte den Kopf. »Was erzähle ich da. Sie wissen das bestimmt selbst. Oft genug haben Sie die Gefahren zusammen durchgestanden.«
»Das stimmt«, sagte Jane.
»Und jetzt ist sie tot.« Der Notar hob die Schultern. Es war eine hilflose Geste, die eigentlich alles aussagte. Er konnte es noch immer nicht fassen. Da ging es ihm so wie Jane und mir.
Ich schaute auf die Mappe, und der Anwalt bemerkte meinen Blick. »Gut«, sagte er nach einem knappen Räuspern. »Dann werden wir zur Sache kommen und den Nachlass ordnen.« Er schaute uns beide an. »Viel ist nicht zu tun. Es gibt keine großen Probleme, denn im Prinzip hat
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