1328 - Die Lust und der Tod
Plattform stand. Wer in diesen Ausstellungsraum kam, der konnte es einfach nicht übersehen. Er würde immer auf die Plastik treffen und sich von ihr beeinflussen lassen.
Mir erging es da nicht anders.
Ich merkte sofort, dass von ihr etwas ausging, mit dem ich nicht zurechtkam. Es machte mich kribbelig, leicht nervös.
Sie strahlte etwas ab, das nicht zu sehen, sehr wohl aber zu spüren war.
Sehen konnte ich die Frauenkörper. Es waren tatsächlich die sieben nackten Körper schwarzhaariger Frauen und so ineinander verschlungen, dass sie eben diesen Schädel bildeten. Der unterste Körper lag auf dem Stein, und das gesamte Gebilde war um eine Idee nach hinten gekippt. So konnte es besser betrachtet werden.
Das Licht meiner kleinen Lampe huschte über die hellen und leicht glänzenden Körper hinweg. Dieser Glanz erinnerte mich an eine Politur oder an Fett.
Aus Stein sollten sie sein. Aus Marmor möglicherweise. Das wusste ich nicht, aber ich würde das Kunstwerk anfassen und so einen ersten Test durchfahren.
Es dauerte nur Sekunden, bis ich direkt davorstand. Ein tiefes Durchatmen. Der Versuch, etwas zu riechen. Oft geben ja Steine einen bestimmten Geruch ab, Körper natürlich auch.
Ich umschritt es.
Dabei ließ ich auch weiterhin den Lichtkegel der Lampe über das Werk gleiten, leuchtete in die Augenhöhlen hinein. Das Licht glitt nicht durch, sondern wurde von einer tiefen Dunkelheit, die nichts mit der hier im Raum zu tun hatte, verschluckt.
Da ich mich leise bewegte, war es mir auch möglich, auf verdächtige Geräusche zu achten. Es gab keine. Nur meine eigenen Schritte waren zu hören sowie hin und wieder ein Atemstoß.
Trotzdem fühlte ich mich nicht allein. Etwas schwebte um mich herum. Es war die Atmosphäre hier, die mir irgendwie geladen vorkam.
Bisher hatte ich das Kunstwerk noch nicht berührt. Ich wollte mir damit auch Zeit lassen. Ich leuchtete in die Umgebung, wobei mich die Bilder nicht weiter interessierten, auch wenn die meisten von ihnen von dem großen Meister Dali stammten.
Mir fiel der offene Durchgang an der rechten Wandseite auf, der zum nächsten Raum führte. Auch dort war alles still. Ich hörte weder etwas von Jane Collins, noch von dieser geheimnisvollen Bea oder einem Künstler namens Duval.
Zu viel Zeit wollte ich mir auch nicht lassen, deshalb holte ich das Kreuz hervor. Eine Reaktion zeigte es nicht, aber das konnte noch kommen.
Zunächst war es mir wichtig, dass ich die Plastik anfasste. So ließ sich herausfinden, ob sie tatsächlich aus Stein bestand oder aus einem anderen Material.
Meine Rechte zitterte, als ich sie gegen eine Gestalt an der rechten Seite drückte. Ich hatte mir die Mitte des Rückens ausgesucht, eine unverfängliche Stelle.
Stein oder nicht?
Nein, es war kein Stein. Der fühlte sich anders an. Der war auch kühler, härter und brachte mir mehr Widerstand entgegen.
Meine Hand berührte einen normalen Körper mit einer normalen und straff gespannten Haut.
Hier war einiges nicht in Ordnung. Ein normaler Besucher hätte das nicht herausgefunden. Er war nur an der Kunst interessiert und hätte sich auch nicht vorstellen können, dass diese Körper echt waren und nicht aus Stein bestanden.
Doch nachdem sich vieles in der Welt verändert hatte und Leichen zu Schauobjekten geworden waren, musste man mit allem rechnen, auch wenn es sehr stark gegen die Würde eines Menschen oder gegen die eines Toten ging.
Ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber, sondern überlegte, ob ich zuerst nach Jane und dieser Bea suchen sollte oder mit dem Kreuz agieren.
Ich entschied mich für das Kreuz!
Es lag schon zwischen den Fingern der rechten Hand. Möglicherweise spürte ich auch eine leichte Wärme, aber darauf will ich nicht wetten. Zu schweißglatt waren meine Finger.
Die Berührung. Genau dort, wo ich zuerst meine Hand hingelegt hatte, fand jetzt das Kreuz Kontakt. Ähnliches hatte ich schon oft durchgezogen und meistens auch Erfolge erzielt.
Wie war es hier?
Zuerst tat sich nichts.
Ich zog das Kreuz trotzdem nicht zurück und wartete ab.
Es war gut, dass ich mich dafür entschieden hatte, denn Sekunden später spürte ich den leichten Wärmestrom, der über die Haut hinwegglitt und von meinen Fingerspitzen her weiterwanderte bis hin zu den Gelenken.
Den Vorgang nahm ich nur wie nebenbei wahr. Ich konzentrierte mich völlig auf das Gebilde aus nackten Frauenkörpern, das sich bisher jedem Besucher starr gezeigt hatte.
Ich hielt den Atem
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