1335 - Mandragoros Liebeshexe
hätte sie schon jetzt eine Antwort auf die Frage bekommen.
Das war nicht möglich, und sie traute sich auch nicht, den Versuch zu starten. Was blieb?
Nach kurzem Überlegen gelangte sie zu dem Schluss, dass es für sie sicherer war, wenn sie sich wieder am First hinkniete und dort tatsächlich abwartete, bis die Dunkelheit vorbei war. Da vergingen zwar noch Stunden, und sie würden ihr unendlich lang vorkommen, aber durch diesen Dschungel konnte sie sich nicht schlagen.
Gerda wartete noch. Sie war jetzt völlig ruhig. Der Kontakt mit dem Dach und somit der Hütte blieb bestehen. Die Konzentration machte sich bemerkbar, denn sie merkte jetzt, dass dieses Holzhaus nicht so ruhig war, wie es hätte sein müssen.
Zwar nicht überdeutlich, aber immerhin feststellbar spürte sie die Vibrationen unter sich. Wände und Dach zitterten leicht. Eine Erklärung fand sie auf die Schnelle nicht, aber es konnte sein, dass es an den immer stärker wuchernden Pflanzen lag, die an Hinternisse geraten waren und nun versuchten, sie zu zerstören.
Auch das noch!
Hörte der Schrecken denn nie auf?
Gerda wunderte sich über sich selbst, weil sie in der Lage war, die Nerven zu behalten. Sie schrie nicht, sie fiel auch nicht in sich zusammen. Sie wollte wieder zurück zum First.
Da hörte sie das Klatschen!
Es war wieder ein Geräusch, das sie aus dem Rhythmus brachte.
Es war hinter ihr entstanden. Als hätte ein dicker Regentropfen sein Ziel gefunden. Nur regnete es nicht.
Es war also etwas anderes.
Gerda Simmons wollte es wissen. Dazu musste sie sich drehen.
Genau das gelang ihr nicht.
Zwar hörte sie kein Klatschen, aber sie bekam die Berührung mit, die sie erwischte. Etwas klatschte auf ihre rechte Wade und blieb dort liegen.
Sie war so geschockt, dass sie sich nicht bewegte. Mit angehaltenem Atem blieb sie liegen, nur den Oberkörper und den Kopf leicht angehoben. In dieser unnatürlichen Haltung erstarrte sie.
Dabei wusste sie genau, dass sie etwas unternehmen musste. Sie schaffte es jedoch nicht, sich zu bewegen.
Der nächste Schlag erwischte sie.
Und wieder am Bein!
Diesmal in Höhe des Knies. Was sie da erwischt hatte, blieb nicht ruhig liegen. Es bewegte sich zuckend und drehte sich dabei um ihr Bein, als wollte es einen Knoten bilden.
Die Erkenntnis schoss ihr durch den Kopf wie ein Blitzstrahl. Sie hatte das Gefühl, dass sich in ihr alles erhellen würde, aber zugleich kehrte das finstere Gefühl der Angst zurück.
Mühsam drehte Gerda sich herum. Sie wollte genau sehen, was da passiert war.
An zwei Stellen ihres rechten Beins hatte sich etwas Schwarzes und Schlangen gleiches um Knie und Wade gedreht. An eine Schlange dachte sie zuerst, doch das war es nicht.
Es gehörte zu einer Pflanze. Zu einem Stiel, einem Stängel, der sehr weich und dehnbar war und trotzdem dicht wie eine Fessel saß.
Sie fasste es nicht.
Aber sie begriff, dass sie zu einer Gefangenen dieser Pflanzenwelt geworden war…
***
Das also war es! Das war das verdammte Mordinstrument, mit dem Pat Miller und Luke Simmons getötet worden waren.
Ich hatte schon einiges in meiner Laufbahn zu sehen bekommen.
So etwas allerdings nicht, und mir hatte es die Sprache verschlagen.
Durch das Hervortreten dieses spitzen Astes, der mal eine Zunge gewesen war, hatte sich auch der Ausdruck im Gesicht der Frau verändert. Er sah angestrengt aus. Der Mund konnte nicht mehr geschlossen werden. Jeder normale Mensch wäre an so etwas erstickt oder hätte zumindest gewürgt, Liane nicht. Es gehörte einfach zu ihr wie die normale Zunge zu einem Menschen.
Ich hing noch immer in den verfluchten Fesseln. Als ich den Blutgeschmack im Mund spürte, dachte ich daran, wie knapp ich dem Tod soeben entronnen war. Dieses verdammte Ding hätte auch meinen Kopf von innen zerstört.
Nur war es nicht vorbei. Ich musste mich auf einen zweiten Angriff dieser Person einstellen. Eine wie sie gab nicht auf.
Was tun?
Ich war zwar gefesselt, aber trotzdem beweglich, weil mein Oberkörper nicht gebunden war. Wenn sie noch mal kam, würde ich mich wehren können. Leider nicht mit den Händen, nur mit den Füßen. So musste ich sie aus meiner unmittelbaren Nähe fern halten. Ich wollte mich auch zur Seite drehen und prüfen, wann die verdammten Schlingpflanzen rissen und ob das überhaupt möglich war.
Liane ließ sich Zeit. Beim ersten Versuch hatte sie eine Niederlage einstecken müssen, aber sie würde weitermachen, und so wartete ich auf den zweiten Angriff.
Warum
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