134 - Die Entscheidung des Generals
deshalb der einsamste Mensch der Enklave? Mit Sicherheit.
Beide Hände auf den Knien abgelegt, saß er reglos inmitten der Monitore und Funkempfänger, beschienen vom Rot und Grün der Kontrollleuchten. Er horchte nicht einmal auf, als ihn Aiko ansprach. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«
»Ja, natürlich. Ich bin sofort fertig.« Die Antwort kam ohne Verzögerung. Sicher wusste der Androide schon länger, dass ihn sein Sohn mehrere Minuten lang von der Tür aus beobachtet hatte, ohne ein Wort zu sagen.
Takeos linke Hand ging in die Höhe. Er langte an seine Stirn, an der ein winziger Funkempfänger haftete, der ihm einen direkten Zugang zum elektronischen Netz des Überwachungssystems ermöglichte. Rasch stöpselte er das runde Element aus und legte es vor sich auf den Tisch.
Danach drehte er sich um, wie immer ein rotes Blinken im Augenschlitz.
Aiko zog einen Stuhl heran und setzte sich seinem Vater direkt gegenüber. Mühsam unterdrückte er ein Gähnen. Sein Geist mochte noch hellwach sein, sein organischer Körper verspürte dagegen Müdigkeit. Liebend gerne hätte er jetzt im Bett gelegen, die Decke über den Kopf gezogen und sich auf die Seite gerollt. Aber dies war nun einmal die einzige Tageszeit, in der er ungestört – und unbemerkt – mit Miki Takeo sprechen konnte.
Vor allem, da Honeybutt nichts von diesem Treffen wissen sollte.
Zuerst wusste Aiko nicht, wie er beginnen sollte, deshalb steuerte er schnurstracks aufs Ziel zu. »Du weißt, was mit mir los ist?«, fragte er.
Takeo saß da wie immer. Reglos, ohne ein Zeichen der Emotion. »Welcher Vater weiß schon, was in seinem Sohn vorgeht«, sagte er.
Mal wieder der Komiker. Nur gut, dass er damit nicht sein Geld verdienen musste.
»Weich mir nicht aus, es ist wichtig.«
»Sag mir, um was es geht, und du bekommst eine konkrete Antwort.«
Aiko nickte, denn er sah ein, dass er die Karten zuerst auf den Tisch legen musste. »Es geht darum.« Er klopfte gegen seine Schläfe. »Die Totaloperation. Naoki hat mir erzählt, es wäre noch mal alles gut gegangen, in Wirklichkeit musste sie mir das gesamte Gehirn entfernen.«
Takeo saß da, die Ruhe selbst. Kein: Das ganze Hirn futsch?
Ist nicht wahr! Oder: Ach, das. Ich dachte, das wäre längst erledigt,
»Naoki hält es geheim, um dich zu schützen.« Die Antwort kam so unverhofft, dass Aiko beinahe zusammen zuckte.
»Außer Pollak und Jones, die ihr assistiert haben, weiß niemand davon,«
»Und was ist mir dir? Du scheinst ja bestens informiert zu sein.«
»Ich habe es dir angemerkt. Nicht sofort, aber schon bald, nachdem ich hier einquartiert wurde. Ist das ein Wunder? Niemand auf der ganzen Welt versteht deinen Zustand so gut wie ich.«
»Ich bin nicht wie du«, begehrte Aiko auf. »Zumindest körperlich bin ich noch ein Mensch. Überwiegend jedenfalls.«
Man brauchte keine kybernetische Intelligenz, um zu erkennen, dass er gerade völligen Unsinn redete. Am liebsten hätte Aiko geheult, aber es gelang ihm nicht. Sein Prozessor verstand wohl nicht, was daran traurig sein sollte, einen Prozessor im Kopf zu haben und keinen Klumpen grauen Zellgewebes.
Es waren Momente wie dieser, in denen Aiko schmerzlich bewusst wurde, dass seine Gefühle eben nicht echt waren, sondern nur imitiert. Ein Echo der Vergangenheit, mehr nicht.
»Am Anfang ist das alles sehr verwirrend.« Takeos Stimme klang sanft. »Ich kann dich gut verstehen.«
»Wenigstens etwas Positives.« Aiko rang sich ein Lächeln ab. »Aber ich bin eigentlich wegen etwas Konkreterem hier. Es geht um ein Unterprogramm, das die Nachwirkungen der Operation simuliert. Die Kopfschmerzen stinken mir langsam, aber ich schaffe es nicht alleine, die entsprechende Routine ausfindig zu machen und zu löschen.«
Takeo nickte. Ein Anflug von Menschlichkeit.
»Kernproblem. Aber warum wendest du dich damit nicht an Naoki?«
»Weil ich will, dass die Sache weiterhin geheim bleibt. Vor allem Honeybutt darf nichts erfahren.«
»Du misstraust deiner eigenen Mutter?«
»Sie ist ein Mensch mit Gefühlen. Echten Gefühlen. Wenn alles zusammenbricht, wird sie reden. Früher oder später, absichtlich oder aus Versehen.«
Takeo lachte so laut, als ob es von Herzen käme. Vielleicht gab es doch digitale Gefühle.
»Du hast Recht«, lobte er. »Echte Verschwiegenheit existiert nur, wo die Gefühle kontrolliert werden. Niemand ist vertrauenswürdiger auf der Welt als du und ich. Und ich verspreche dir, dein Geheimnis zu wahren.«
Ohne eine
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