1343 - Manons Feuerhölle
tun.«
»Warum nicht?«
»Weil sie den Menschen keine Angst einjagen wollte, denn sie sah die Zukunft nicht eben rosig. Sie hat das Interview auch abgebrochen und verschwand.«
»Aber du hast herausbekommen, wo sie wohnt.«
»Habe ich. In diesem Haus, das abgebrannt ist. Ich habe es bisher auch nicht begriffen, aber es ist so. Davon beißt keine Maus den Faden ab. Sie lebt hier, und sie lebt allein – angeblich«, sagte Bill, »aber sie kann auch woanders leben.«
»Dann ist das Durcheinander perfekt.«
»Genau.«
Was war davon zu halten? Ich wusste es nicht. Manon war mir ein Rätsel. Ob ich das je lösen würde, war die große Frage. So richtig konnte ich daran nicht glauben, denn Manon musste meiner Meinung nach verbrannt sein, auch wenn wir sie noch normal gesehen hatten. So etwas überlebte kein Mensch.
Und wenn er kein richtiger Mensch war?
Ich fing an zu grübeln und schaffte es natürlich nicht, zu einer Lösung zu kommen, aber ich ging davon aus, dass dieser Fall nicht zu den Akten gelegt werden konnte. Wobei ich mir nicht mal sicher war, ob er überhaupt noch zu einem Fall werden würde.
»Früher hast du aber nie etwas von ihr gehört – oder?«
Bill bestätigte dies. »Und weil dem so ist«, fügte er noch hinzu, »gibt es auch keinen richtigen Background. Ich gehe davon aus, dass sie lebt, aber nicht zu fassen ist. Sie schwebt irgendwie zwischen den Dingen. Der Normalität und des Nichtbegreifens. Ist sie ein Mensch? Hat sie vielleicht noch andere Eigenschaften?« Bill breitete die Arme aus. »Und wieso hat es in diesem Haus gebrannt? Hat sie vielleicht das Feuer gelegt? Wollte sie Selbstmord begehen? Ich weiß es nicht. Mir ist nur klar, dass wir zu spät gekommen sind.«
»Möglich.«
Der Reporter grinste. »Oder hast du da eine andere Meinung?«
»Ich habe gar keine, Bill. Ich warte erst mal ab, wie sich die Dinge entwickeln. Dann sehen wir weiter.«
»Moment mal, wie könnten sie sich denn deiner Meinung nach entwickeln?«
Ich wiegte den Kopf. »Sagen wir mal, dass mit ihrem Tod noch nicht alles beendet ist.«
»Für uns ein Anfang.«
»Vielleicht.«
Wir hatten uns zwar unterhalten. Es war für mich und für Bill sicherlich eine fruchtlose Diskussion gewesen. Darüber mussten wir uns nicht ärgern, denn wir wussten einfach zu wenig, und deshalb würden wir sicherlich nachhaken müssen.
Mein Blick schweifte zum Haus hinüber. Die Männer der Feuerwehr hatten es geschafft, auch die Glut zu löschen. Nur noch Rauch trieb über die verkohlten Trümmer hinweg, die noch sehr heiß waren. Aber die Männer waren in gute Schutzkleidung verpackt, und so konnten sie sich in das Gelände hineinwagen.
Dort holten sie etwas hervor. Dabei wirkten sie plötzlich aufgeregt und winkten ihrem Chef zu.
Kevin Gibbs ging zu ihnen. Er schaute sich die Sache an, gab einige Anweisungen und nahm uns durch seine Gestalt leider den freien Blick.
»Da läuft irgendwas nicht normal ab«, sagte Bill.
»Stimmt.«
»Schauen wir nach?«
»Ja.«
Wir wollten uns von den Klappstühlen erheben, als sich Kevin Gibbs drehte. Er winkte uns zu, und wir entnahmen dieser Geste, dass wir auf unseren Plätzen bleiben sollten.
Der Mann mit den dunkelgrauen Haaren hatte seinen Helm abgenommen. Auf seinem Gesicht hatten Aschereste und Schweiß einen Schmierfilm gebildet. Wir entdeckten in seinen Augen einen leicht traurigen Ausdruck, und ich stellte eine direkte Frage.
»Sie haben die Person gefunden?«
»Ja.«
»Muss ich noch mehr fragen?«
»Das brauchen Sie nicht, Mr. Sinclair. Die junge Frau ist tot. Wirklich verbrannt.«
Wir hatten zwar damit gerechnet, aber es jetzt aus berufenem Munde zu hören, war schon ein Schock. Bill und ich waren zunächst sprachlos, bis ich mich mit einer Bitte an den Brandmeister wandte.
»Können wir sie sehen?«
»Dem steht nichts im Wege. Aber bereiten Sie sich auf einen schlimmen Anblick vor.«
»Das ist klar.«
Bill und ich standen auf. Kevin Gibbs ging vor uns her. Wir ließen einen gewissen Abstand zwischen ihm und uns. Bill schüttelte einige Male den Kopf.
»Fassen kann ich es noch immer nicht«, sagte er schließlich.
»Da liegst du wohl nicht falsch.«
Man hatte die verbrannte Leiche in das Unterteil einer Metallwanne gelegt. Der Deckel lag noch daneben, und mein Blick fiel auf das zerstörte Etwas, das mal ein Mensch gewesen war.
Sie sah furchtbar aus. Die Haut war noch vorhanden, aber es gab keine Stelle mehr an ihrem Körper, die normal ausgesehen
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