1347 - Am Ereignishorizont
Stalker war kein fühlendes Wesen mehr: Die Veränderung seiner genetischen Substanz hatte ihn zu einer organischen Maschine gemacht. „Die Nakken!" knirschte Tyg Ian. „Verräter allesamt. Ich hätte sie längst ..."
Sein Angriff kam völlig unerwartet. Im Augenblick hatte es noch so ausgesehen, als wolle er vor Stalker zurückweichen. Dann jedoch plötzlich, schleuderte er sich vorwärts. Er schnellte sich vom Boden ab und warf sich mit unvorstellbarer Wucht auf den Angreifer. Er hatte die Kampfgestalt angenommen. Der Unterkiefer war nach vorne gereckt und entblößte ein raubtierhaftes Gebiß.
Stalker schien von Tyg lans Manöver völlig überrascht. Er stand reglos und machte keine Bewegung der Abwehr. Tyg Ian prallte gegen ihn. Die beiden Kämpfer stürzten zu Boden. Ein triumphierender Schrei war zu hören. Tyg Ian hatte ihn ausgestoßen.
Aber da schoß Stalker plötzlich in die Höhe. Er riß den Gegner mit sich.
Tyg Ians Schrei erstarb. Wiederum waren Stalkers Arme in blitzschneller, wirbelnder Bewegung. Es gab ein häßliches Geräusch. Tyg Ian wurde zur Seite geschleudert. Sein schwarzsilberner Shant war zerrissen. Die Gestalt des Sothos wirkte eigenartig verkrümmt. Die Augen waren weit aufgerissen, das Gesicht zu einer Grimasse unerträglichen Schmerzes verzerrt.
Es gab einen dumpfen Knall, als Tyg Ian zu Boden prallte. Er kam unmittelbar vor Fazzy Slutch zu liegen.
Fazzy hatte davonlaufen wollen. Aber hinter ihm war die Wand und versperrte ihm den Weg. Zitternd vor Angst blickte er auf die verkrümmte Gestalt zu seinen Füßen. Augen, in denen kein Leben mehr war, starrten ihn an. „Die Rache ist vollzogen", sagte Stalker mit schriller Stimme. „Jetzt können wir uns um anderes kümmern."
Mit einem Schlag war die trügerische Ruhe brodelnder Hektik gewichen. Auf Julian Tifflors Zuruf hin hatte Hamüler ein großes, synoptisches Bild erstellt, das das Vorfeld der Akkretionsscheibe mit den Positionen der Kontrollstationen und den Manövern der einzelnen Flottenverbände zeigte. Von Toktor Kagun lag eine Meldung vor, er habe sich in Richtung UDHURU in Marsch gesetzt. Die gegen das System der GEUZA- und PELEKA-Stationen vorgehenden Verbände brauchten keine Anweisungen mehr.
Ihr Einsatzplan lag fest.
Das düstere Hintergrundleuchten war intensiver geworden. Es überzog das Bild wie ein teuflischer Schleier, der Angst und Schrecken verbreitete. Julian Tifflor ertappte sich immer öfter dabei, wie er in sich hineinlauschte. Hatte die Verwirrung schon begonnen? Setzte die Wirkung des psionischen Schocks schon ein?
Einer der galaktischen Verbände meldete: „Triebwerke aus. Wir durchstoßen den psionischen Schirm um GEUZAviler."
Tifflor hatte einen Knoten in der Kehle. Hatte der Verband eine Überlebenschance? Oder würde in wenigen Sekunden in der Umgebung von GEUZA-4 ein Blitz aufleuchten, der verkündete, daß es den todesmutigen Angreifern nicht anders ergangen war als den Einheiten der Robotflotte? „Meldung von Toktor Kagun", sagte die Hamiller-Tube. „Der halutische Verband verlangsamt den Vormarsch."
Tifflor stutzte. Warum? Was bewog den Haluter dazu, ein geringeres Tempo anzuschlagen? Die Schockfront! Der psionische Schock begann zu wirken! Eine andere Erklärung gab es nicht.
Das Bild hatte zu flackern begonnen. Verwirrt sah Tifflor die Umrisse der Akkretionsscheibe zerfließen und sich wieder stabilisieren. Die Reflexe der angreifenden Verbände vollführten mit einemmal erratische Bewegungen, als tanzten die Schiffe im All hin und her. „Hamiller, was ist da los?" rief Tifflor. „Ein unerklärlicher Effekt, Sir", antwortete die Hamiller-Tube. „Unser Sensorsystem wird durch übergeordnete Einflüsse gestört. Ich rate zur Aktivierung des Psitasters."
Tifflor wußte nicht, welche Logik Hamiller zu einem solchen Vorschlag veranlaßte. Der Psitaster war das Gerät, mit dem der Verlauf der Stränge des Psionischen und des Stygischen Netzes erfaßt werden konnte. Es handelte sich um eine Neuentwicklung, die das Wissenschaftlerteam des Großen Bruders erst im vergangenen Jahr bis zur Anwendungsreife gebracht hatte. „Psitaster an!" befahl Tifflor.
Noch in derselben Sekunde erschien auf dem Synop-Bild das fahlgrüne Gewirr der Stygstränge. Julian Tifflor hatte sich den Anblick während der vergangenen Tage immer und immer wieder zu Gemüte geführt. Er glaubte, jeden einzelnen Strang zu kennen. Er sah, wie die Stränge als dichtes Bündel aus dem Gigant-Black-Hole hervordrangen
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