1347 - Der Schwarze Tod, Assunga und ich
geschehen war, Leila Franklin befand sich in einer großen Gefahr, aus der sie sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Meiner Ansicht nach wurde sie von etwas festgehalten.
Neben mir stieß Sally Cato einen wütenden Schrei aus. Sie war es auch, die vor mir in die Mulde hineinsprang. Dabei vergaß sie die Unebenheit des Bodens, kam falsch auf und knickte um.
Das gab mir Zeit, zu Leila Franklin zu eilen. Nur ging ich anders vor. Ich rutschte an der Seite nach unten und überwand den Rest mit zwei schnellen Schritten.
Vor Leila Franklin blieb ich stehen. Sie hatte mir ihr Gesicht zugedreht, doch sie schaffte es nicht, eine Erklärung abzugeben. Sie durchlitt Schreckliches.
Für mich stand fest, dass sie in einer großen Gefahr schwebte.
Aber auch ich musste aufpassen und bewegte die Hand mit der Lampe so, dass sie neben den rechten Arm leuchtete.
Er war tatsächlich im Gestein verschwunden. Dort musste sich ein schmaler Tunnel befinden.
»Reiß sie doch weg!«, schrie Sally Cato mich an. Sie wollte es besser machen. Sie packte Leila an beide Schultern. Viel Kraft musste sie nicht einsetzen, um Leila wegzuzerren.
Nach einem plötzlichen Ruck kippte sie Sally entgegen, wobei die Retterin durch den plötzlichen Stoß mit zu Boden fiel. Aber sie hatte es geschafft und ihre Freundin freibekommen.
Ich schaute Leila Franklin an.
Ich wollte es nicht glauben. Leider stimmte es.
Leila Franklin fehlte der rechte Arm!
***
Es war schlimm. Es war grausam. Es gab wirklich nur die Schulter.
Aus ihr war der Arm herausgerissen oder herausgedreht worden.
Aus der Wunde klatschte das Blut in dicken Tropfen auf den Boden.
Für einen Moment überkam mich Schwindel. Schwachheiten konnte ich mir hier nicht erlauben. Es musste weitergehen.
Leila Franklin musste einen Schock bekommen haben, denn sie konnte nicht mehr sprechen. Sie weinte oder jammerte auch nicht.
Nur in unregelmäßigen Abständen drangen Laute aus ihrer Kehle, die sich bei einem Menschen schrecklich fremd anhörten.
Die Welt hier hatte sich verändert. Es gab etwas Neues, das stand für mich fest. Ich glaubte nicht daran, dass sich Leila Franklin ihren Arm selbst abgerissen hatte. Da musste sich etwas im Fels verborgen haben.
»Kümmere dich um deine Freundin!«, rief ich Sally Cato zu. Ich selbst bückte mich und ging dann in die Knie, um in die Öffnung hineinzuleuchten, in die Leila ihren Arm gestreckt hatte.
Dazu kam es noch nicht. Ich zögerte, weil ich etwas hörte, das mir einen Schauer über den Rücken trieb. Es war ein Geräusch, das man nicht mal als schlimm einstufen konnte, aber im Verbund mit dem, was hier geschehen war, sah ich es schon als schlimm an.
Nein, ich hörte es. Ich sah noch nichts.
Ein Schmatzen und Knabbern. Zwischendurch auch schlürfende Geräusche, und ich wusste, dass ich sie nicht zum ersten Mal vernahm. So welche kannte ich.
Ghouls – Leichenfresser!
Das kam mir in den Sinn. Die widerlichsten Geschöpfe, die man sich vorstellen konnte. Aasfresser, Gestalten, schleimig und ekelhaft, die sich von Leichen ernährten.
Das waren die Ghouls!
Aber hatte ich es wirklich mit einem Ghoul zu tun? Meine Zweifel waren berechtigt, denn diese noch versteckte Gestalt hatte einen lebenden Menschen angegriffen und keinen Toten. Dann war sie also noch schlimmer als ein Ghoul.
Ich drängte meinen Ekel und meine Furcht zurück. Nur nicht die Nerven verlieren. Alles andere wäre fatal gewesen. Ich traute es diesem Wesen durchaus zu, dass es sein Versteck verließ, nachdem es frisches Fleisch gerochen hatte und mich als nächste Beute holen wollte.
Meine Leuchte brannte noch.
Ich strahlte in die Öffnung hinein, hielt allerdings genügend Abstand.
Im Schein des Lichtkegels sah ich etwas. Ein Wesen hatte sich in den Tunnel hineingeklemmt. Etwas Bleiches zuckte hin und her, wie ein Teil Masse, die immer nur nickte.
Es sah widerlich aus. Ich hätte mich am liebsten zurückgezogen, aber ich blieb und schaute genauer hin.
Gab es da zwei Augen?
Oder ein Maul?
Das Zucken blieb, das Schmatzen und Knabbern auch. Mir war längst klar, dass sich dieses Wesen mit dem Arm der armen Leila beschäftigte. Wenn es damit fertig war, würde es hervorkommen und sich eine neue Nahrung suchen. Dass es satt war, daran konnte ich nicht so recht glauben. Deshalb wartete ich darauf, dass es erschien.
»Was siehst du, Sinclair?«
»Nichts, was uns Spaß machen könnte.«
»Genauer.«
Ich gab die Antwort nicht, weil ich abgelenkt wurde.
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