135 - Madame La Roshs Marterhaus
der
Gärtner noch nicht zurück war.
Elvira La Rosh stand auf dem Balkon und ließ den Blick
in den ausgedehnten und gepflegten Park
schweifen.
Ein tiefer Atemzug hob und senkte die Brust der gut
aussehenden Frau. Ihre Haut war leicht gebräunt, als benutze sie geschickt ein
Make-up oder eine selbstbräunende Lotion. Aber dieser Eindruck täuschte.
Es handelte sich um eine natürliche Sonnenbräune...
Elvira La Rosh trug ein weit schwingendes Kleid aus
zartem Stoff, dazu ein passendes Tuch, das sie lose geknotet um den Hals trug.
Ihr Hals war glatt, wie der einer jungen Frau,
überhaupt war die Jugendlichkeit und Straffheit ihrer Haut und die Elastizität
ihrer Bewegungen bemerkenswert.
Elvira La Rosh konnte sich pflegen. Sie hatte viel
Zeit für sich.
Im Haus gab es eine Köchin und zwei Dienstmädchen.
Alle Angestellten hatten in dem großen Gebäudekomplex persönlich eingerichtete
Zimmer; hier lebten sie kostenfrei.
Ebenso der Gärtner. Madame hatte immer Wert darauf
gelegt, daß alleinstehende Personen in ihre Dienste traten. Sie wollte ihre
Angestellten greifbar haben. Das hatte nur Vorteile.
Der Gärtner hätte ihr noch einige Erledigungen in der
Stadt machen müssen. Auf Jim war immer Verlaß. Er war die Pünktlichkeit in
Person.
Elvira La Rosh wandte sich um.
»Anne!« rief sie nach hinten. Sie hatte eine ruhige,
angenehme Stimme.
Die Glastür zum Kaminzimmer stand weit offen. Dunkel
und geheimnisvoll wirkten in den Wandregalen die großen Keramik- und
Holzstatuen, die Barry La Rosh stets gesammelt hatte. Manche Arbeiten
erinnerten an afrikanische, andere an ägyptische Kunstwerke, dritte wiederum
schienen aus Nepal und Indien zu stammen.
Die Figuren stellten fremdartige, grausam aussehende
Göttinnen und Götter dar. Die Darstellungen waren so markant, daß ihr Anblick
einen Schauer über den Rücken jagte.
Fremde Künstler schienen eine fremde Welt dargestellt
zu haben. Rätselhaft und faszinierend...
Die Tür jenseits des Kaminzimmers öffnete sich.
Eine junge, ausgesprochen hübsche Frau, die das Haar
zu einem Pferdeschwanz gebunden trug, lief durch das Kaminzimmer mit der
dunklen Holzdecke.
»Madame?« Anne tauchte an der Glastür auf. Das
Dienstmädchen trug eine weiße Bluse, einen schwarzen, in der Mitte geknöpften
Rock und darüber eine kleine weiße Schürze. Elvira La Rosh legte stets Wert auf
ein adrettes, sauberes Aussehen der Menschen, mit denen sie täglich zu tun
hatte.
»Anne, Sie wissen, daß wir am Wochenende sehr viele
Gäste im Haus haben. Jim sollte beim Gärtner wegen des Blumenarrangements
nochmal Rücksprache halten und den Entwurf begutachten. Jim müßte schon
unterwegs sein. Ruf bitte die Firma an und entschuldige Jims Abwesenheit!
Entweder hat er völlig vergessen, daß er noch weg mußte - oder er ist durch
etwas, was mir allerdings schleierhaft ist, aufgehalten worden. Sagen Sie
Mister Kellery, daß bis zum späten Nachmittag jemand vorbeikommt und sich den
Entwurf ansieht. Wenn es Jim nicht ist, dann komme ich persönlich, obwohl ich
es mir kaum einrichten kann. Ich muß noch einige Einladungen erledigen. Die
Party wird umfangreicher, als sie zunächst vorgesehen war. Ich freue mich
darauf... und noch etwas, Anne: Sehen Sie doch dann bitte im Park mal nach, wo
Jim steckt!«
»Selbstverständlich, Madame.«
Die hübsche Anne wandte sich um mit wippendem Rock und
lief davon.
*
Anne Sordan erledigte den Anruf bei Tom Kellery und
zog sich dann eine dünne Strickjacke über, bevor sie in den Park ging.
Die schlanke, langbeinige Amerikanerin lief den
Hauptweg entlang.
»Jim?« hallte ihr Rufen durch den Park. Sie rief mehrere Male. Aber niemand antwortete. Nur
das Echo ihrer eigenen Stimme schlug ihr entgegen.
Dann erreichte sie die Stelle, wo der Gerätewagen
stand.
Das Dienstmädchen verlangsamte seinen Schritt und
hielt den Atem an.
Zwei Männer lagen am Boden. Reglos... Tot!
Jim, der Gärtner, und ein Fremder.
Etwas Merkwürdiges geschah: Das Dienstmädchen schrie
nicht vor Überraschung und Entsetzen auf!
Sie fuhr kaum merklich zusammen, ihre Augen verengten
sich, und sie schluckte trocken.
Anne Sordan ging um die beiden Leichen herum,
betrachtete sie eingehend und lief dann ohne besondere Eile ins Haus zurück.
Dort berichtete sie Madame La Rosh, was sie entdeckt hatte.
Die Mundwinkel von Madame traten beim Zuhören etwas
schärfer als sonst hervor.
»Ich werde es mir ansehen«, war der einzige Kommentar.
Bevor sie jedoch den Weg zum
Weitere Kostenlose Bücher