1352 - Beute für den Sensenmann
klappte zu. Sie sagte erst mal nichts. Ihre Mundwinkel zuckten. Sie versuchte ein Lächeln, was ihr misslang. So wurde nur eine Grimasse daraus.
»Ein Skelett also?«
»Ja.«
»Das ist nicht…«
»Ich weiß, dass es sich unmöglich anhört und dass man mich für eine Idiotin halten kann. Aber es ist so gewesen. Orry wurde von einem lebendigen Skelett getötet.«
Rose Dunn sagte erst mal nichts. Sie schaute auf den Fußboden.
Ihr Kopf war plötzlich leer, aber sie erinnerte sich daran, was der alte Paddy erzählt hatte.
Es gab ein Skelett in dieser Gegend. Eines, das lebte, und das ihm ebenfalls schon aufgefallen war.
»Wo ist es denn passiert?«
Vor der Antwort atmete Lilian tief durch. »In unserem Haus. Das Skelett drang ein und dann… nun ja, Orry hatte keine Chance. Ich habe ihn auch zu spät warnen können.«
»Wieso?«
Lilian schloss für einen Moment die Augen. Sie musste sich erst sammeln, um Rose alles zu erzählen. Zu ihr hatte sie Vertrauen, und so redete sie mit leiser Stimme über das, was ihr widerfahren war.
Sie ließ nichts aus, fügte auch nichts hinzu und blickte dabei an ihrer Zuhörerin vorbei, die keinen Kommentar abgab, aber zwischendurch immer wieder schlucken musste.
»Kannst du mir verraten, was ich jetzt tun soll?«, fragte Lilian schließlich.
»Das weiß ich auch nicht.«
»Die Polizei muss her.«
Rose winkte ab. »Hier gibt es keine Polizei, das weißt du. Wir werden uns morgen darum kümmern. Aber die einfache Polizei reicht da nicht aus.« Rose sprach wie eine Fachfrau, und als solche sah sie sich auch an, weil sie viele Krimi-Serien gesehen hatte. »Es muss schon die Mordkommission sein.«
»Daran habe ich auch gedacht.«
Jetzt lachte Rose. »Nur – was werden die sagen, wenn sie hören, was du mir erzählt hast?«
»Ist mir egal.«
»Nein, Lilian, das sollte dir aber nicht egal sein. Die werden dich für durchgedreht halten und…«
»Aber ich habe Orry doch nicht umgebracht!«, schrie sie Rose ins Gesicht. »Nein, das habe ich nicht. Es war dieses verfluchte Skelett. Das schwöre ich.«
Rose griff wieder zu ihren Zigaretten. Sie blies den Rauch gegen die Decke und schüttelte den Kopf. »Klar, du hast ihn nicht getötet, aber sie werden auf dicht zurückgreifen, und dich durch die Mangel drehen. Irgendwann werden sie darauf kommen, dass du tatsächlich nicht die Täterin bist. Darauf müssen sie einfach kommen. Passt doch gesagt, dass sich die Knochenhände um seinen Hals gelegt haben – oder?«
»Stimmt.«
»Dann werden sie dort auch Abdrücke finden.«
Lilian Dexter staunte. »He, was ist los mit dir? Du redest, als wärst du selbst bei der Mordkommission.«
»Das bin ich nicht. Aber ich kenne mich aus.« Rose wunderte sich über sich selbst. So etwas wie Jagdfieber hatte sie gepackt und dafür gesorgt, dass sich ihre Wangen röteten. Um Lilian tat es ihr Leid. Sie aber spürte einen bestimmten Drang in sich, und dem würde sie einfach nachgeben müssen.
»Es ist in eurem Haus passiert, nicht?«
»Ja, das ist es.«
»Dann fahre ich hin!«
In den nächsten Sekunden sagte Lilian nichts. Sie machte den Eindruck, als hätte sie nichts begriffen.
»Ja das wäre super«, machte sich Rose Dunn selbst Mut. »Ich fahre hin, und wenn du mit willst…«
»Nein, nein, auf keinen Fall. Ich will da nicht hin. Das mache ich nicht.«
Rose Dunn verstand die Reaktion. »Ja, das täte ich an deiner Stelle auch so. Für dich ist alles klar«, versuchte sie, Lilian zu beruhigen.
»Du bleibst hier. Im Gasthaus bist du in Sicherheit. Du kannst auch hier schlafen, alles kein Problem. Ich werde das Auto nehmen.« Sie drückte die Zigarette aus.
»Hast du nicht getrunken?«
Rose musste lachen. »Spielt das hier eine Rolle? Sicherlich nicht. Wenn ich für jeden, der hier angetrunken fährt, nur ein Pfund bekomme, könnte ich reich werden.«
»Du musst es wissen, Rose.«
Die Wirtstochter erhob sich. So ganz wohl war ihr nicht bei der Sache. Sie wollte jetzt auch keinen Rückzieher mehr machen. Aber einen Trost musste sie los werden.
»Hier wird dir nichts geschehen, Lilian, glaube mir…«
Die Angesprochene hob nur die Schultern…
***
Rose Dunn fuhr einen Wagen aus dritter Hand. Es war ein alter Ford Fiesta. Weite Strecken würde sie damit nicht fahren, doch in dieser Umgebung reichte ihr das Auto. Bisher hatte es sie noch immer dort hingebracht, wo sie hinwollte.
Den Weg kannte sie. Und wieder ärgerte sie sich darüber, dass er keine normale Straße war und
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