1352 - Beute für den Sensenmann
verschluckt worden zu sein.
Rose stand weiterhin auf ihrem Platz. Sie wischte über die Augen hinweg und wusste nicht, ob sie geträumt oder die Wahrheit erlebt hatte. Zu unwahrscheinlich war alles gewesen.
Dann stieg sie in ihren Wagen. Obwohl sie gern weggefahren wäre, blieb sie noch sitzen, weil ihr Kopf einfach voller Gedanken steckte. Sie kam zu keinem Ergebnis, wenn sie nachdachte. In ihrem Kopf drehte sich alles.
Was sollte sie tun?
Wegfahren – ja. Das würde sie auch bald tun. Zuvor gab es noch etwas anderes, über das sie nachdachte. Lilian Dexter hatte von einem Skelett als Mörder gesprochen.
Aber Rose hatte hier kein Skelett gesehen. Einen normalen, wenn auch seltsamen Menschen, der ihr fremd gewesen war.
Trotzdem wurde sie die Vermutung nicht los, dass er durchaus etwas mit der Tat zu tun haben könnte. Wie sich das genau darstellte, davon hatte sie keine Ahnung.
Rose Dunn startete endlich den Wagen. Sie hörte das Orgeln des Motors. Der alte Diesel tat sich schwer, anzuspringen, aber erließ sie nicht im Stich.
Sehr langsam rollte sie wieder zurück nach Cove. Der seltsame Mensch jedoch erschien ihr nicht wieder…
***
Lilian Dexter schreckte hoch, als plötzlich die Tür der Gaststätte aufgestoßen wurde. Der Schreck verschwand schnell wieder als sie Rose Dunn erkannte. Sie wollte sie schon ansprechen, als ihr auffiel, dass sich die Frau so seltsam bewegte. Nachdenklicher als sonst.
Wie in die eigenen Gedanken vertieft.
Dann setzte Rose sich wieder auf den gleichen Stuhl.
Lilian konnte nicht mehr still sein. Zu groß war der Druck in ihr.
»Du bist im Haus gewesen?«
»Ja, das bin ich.«
»Und?«
Rose schaute ihr Gegenüber aus traurigen Augen an. »Du hast Recht gehabt. Ich habe Orry gesehen. Er liegt tot auf der Couch. Man hat ihn umgebracht.«
Die rothaarige Frau schloss die Augen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch einen Funken Hoffnung verspürt, nach dieser Antwort aber war auch der verloren. Kein Irrtum. Orry würde nie mehr zu ihr zurückkehren. Und wieder wurden ihre Augen feucht. Trotzdem riss sich zusammen und stellte eine Frage.
»Wie hast du es empfunden, Rose?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber es hat dich mitgenommen. Zumindest machst du auf mich den Eindruck.«
»Das ist richtig. Nicht nur das, Lilian. Es gab da noch etwas anderes. Da war ein Mann.«
»Das… das … Skelett?«
»Nein, Lilian, es war ein Mann, den ich nicht kannte. Ein seltsamer Fremder.«
Lilian stöhnte. »Aber ich habe ein Gerippe gesehen, dass Orry umbrachte.«
»Mag schon sein. Ich sah einen Mann. Darauf schwöre ich jeden Eid. Einen Bärtigen.«
»Wusste er denn, was in eurer Hütte passiert war?«
»Das weiß ich nicht, denn ich habe ihn nicht gefragt. Ich kann es mir vorstellen.«
»Hat er dich darauf angesprochen?«
»Auch nicht.«
Lilian gefiel die Einsilbigkeit der Frau nicht. Deshalb fragte sie:
»Hat er überhaupt etwas gesagt?«
Rose Dunn nickte gedankenverloren vor sich hin. »Das hat er tatsächlich und zwar mit einer sehr sonoren Stimme. Er sprach davon, dass die Vergangenheit zurückkehrt oder zurückgekehrt ist. Ich kam mir vor, als hätte ich irgendeinen Frevel begangen. Aber das kann ich nicht glauben. Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Es war unheimlich, Lilian, das kannst du mir glauben. Ich war schließlich froh, wieder in meinem Wagen zu sitzen und wegzufahren.«
»Klar, das glaube ich dir. Und du hast ihn wirklich nicht gekannt?«
»Nein.« Rose hob die Schultern. »Für mich ist der fremd gewesen und trotzdem irgendwie anders. Als würde er diese Gegend genau kennen. Nur deshalb hat er seine Warnung ausgesprochen. Er war auch so komisch gekleidet. Nicht passend für die heutige Zeit. Na ja, ich bin jedenfalls verdammt froh, wieder hier zu sein.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung. Wir sollten erst mal die Nacht abwarten. Bei Tag sieht alles ganz anders aus.«
»Das weiß ich nicht, Rose. Die Probleme bleiben. Denen kannst du nicht entwischen.«
Rose lächelte. »Stimmt genau, aber ich brauche wieder einen anständigen Schluck. Du auch?«
»Ja, das muss wohl so sein. Und morgen…«
»Was ist morgen?«
»Keine Ahnung«, flüsterte Lilian…
***
Es gibt immer wieder mal eine Zeit, da ist man stolz auf seinen Arbeitgeber, auch wenn man ihn sich hin und wieder zum Teufel wünscht.
Mir erging es da nicht anders, ich war stolz auf Scotland Yard, denn es war uns tatsächlich möglich gewesen, die Reise von London nach Cornwall zu verkürzen.
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