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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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glitt, dann suchte er einen Bolzen aus, der besonders scharf und glatt war. Er legte ihn in die Nut und stützte die Waffe auf dem Fenstersims ab. Er richtete sie aus. Er stellte fest, dass der Wind böig von links nach rechts wehte, und bewegte die Waffe leicht nach links. Er drückte den Schaft an seine Schulter, atmete tief ein und tastete mit der linken Hand nach dem Abzug. Er wartete. Die Reiter bewegten sich nicht. Die Fußsoldaten flohen, einige stürzten, wenn sich Bolzen durch Leder oder Kettenhemden in Knochen und Fleisch bohrten, aber der Armbrustschütze achtete nicht auf sie. Er richtete die Waffe noch einmal auf den roten Umhang aus, zielte ein klein wenig höher, um die Senkung der Geschossbahn auszugleichen, stabilisierte seinen Stand, hielt den Atem an und zog den Abzug. Die Armbrust fuhr gegen seine Schulter zurück, als der Bolzen davonjagte, ein schwarzer Strich in dem sintflutartigen, silbernen Regen.
    «Vielleicht hört es ja heute Abend auf zu regnen», sagte der Prinz sehnsüchtig.
    Der Armbrustbolzen traf zwischen seinen rechten Oberschenkel und den Sattel. Er zerriss den feinen Stoff seiner Kniehose, ohne ihm selbst auch nur einen Kratzer zuzufügen, bohrte sich durch das dicke Sattelleder, wurde von dem hölzernen Sattelbaum leicht abgebremst und schrammte schließlich eine von Foudres Rippen. Das Pferd wieherte und scheute vor Schmerz. Der Prinz beruhigte den Hengst. «Bei Gott», sagte er, «zwei Zoll höher, und ich würde in der ersten Reihe der Engelschöre singen.»
    «Sire», sagte der Captal, «Ihr könnt mich dafür strafen, aber ich will Euch nicht verlieren.» Er beugte sich zu dem Prinzen, nahm Foudre am Zaum und zog den Prinzen zu den Weiden zurück. Der Prinz rief den geschlagenen Fußsoldaten Ermutigungen zu, während er es zuließ, aus der Gefahrenzone gebracht zu werden.
    «Morgen», rief er, «morgen werden wir uns rächen! Morgen plündern wir Tours!»
    Doch der nächste Morgen brachte keine Verbesserung. Der Wind heulte noch immer über das feuchte Land, Regen fiel, Donner hallte, und Blitze zerrissen den Himmel. Gott, so schien es, wollte Tours schützen. Zu bleiben wäre eine Einladung an die Franzosen gewesen, sie einzukesseln, also wandte sich die Armee des Prinzen wieder Richtung Süden.
    Der Rückzug hatte begonnen.
    Die Waffen wurden in den Verliesen unter dem Bergfried von Castillon d’Arbizon verstaut. Es gab dort fünf Kerker, und in einem saß Pitou, der darauf wartete, dass sein Vater Thomas’ Männer aus Montpellier zurückschickte. Die beiden anderen Kerker waren leer. «Da stecke ich die Betrunkenen rein», erklärte Thomas.
    «Bei Gott, die müssen ja ständig überfüllt sein», sagte Keane.
    «Selten», sagte Thomas und führte den Iren in das größte Verlies, wo eine behelfsmäßige Waffenkammer eingerichtet worden war. Die beiden Wolfshunde schnupperten in dem Durchgang herum und beobachteten aufmerksam, wie sich Keane in die Zelle duckte. «Meine Leute wissen, dass sie sich betrinken können, so oft sie wollen», fuhr Thomas fort, «aber nicht, wenn sie nüchtern sein sollen.» Er hob die Laterne und hängte sie an einen Haken in der Decke, doch die flackernde Kerze gab wenig Licht. «Man bleibt am Leben, indem man gut ist», sagte er.
    «Indem man nüchtern ist?», sagte Keane belustigt.
    «Indem man gut ist», wiederholte Thomas, «indem man sich übt, indem man schnell ist, indem man stark genug ist, einen Bogen zu spannen oder ein schweres Schwert zu tragen. Waffen erfordern Geschicklichkeit, und die Männer, gegen die du irgendwann kämpfst, schulen ihr Geschick womöglich seit zwanzig Jahren, also musst du besser sein. Wenn nicht, bist du tot. Und hier draußen? Wir sind eine kleine Garnison, die von Feinden umringt ist, und deswegen müssen wir die Besten sein.»
    «Und wenn ein Mann nicht gut genug ist?»
    «Entlasse ich ihn. Es gibt sehr viele, die hier in Dienst gehen wollen. Sie machen hier Geld.»
    Keane grinste. «
Coredors
mit einer Burg, eh?»
    Das hatte er als Scherz gemeint, aber Thomas war dennoch getroffen, weil in diesem Scherz ein Gutteil Wahrheit steckte.
Coredors
waren Banditen, Männer und Frauen, die im Verlauf der Kriegszüge von ihrem Land vertrieben worden waren, nun in den Hügeln lebten und Reisende oder kleine Gemeinden ausraubten. Die größten Fernstraßen wurden von Waffenknechten bewacht, aber andere Straßen waren gefährlich, es sei denn, man hatte einen großen, bewaffneten Trupp bei sich. Die
Coredors
wurden

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