1356
der Frauen in der Unterstadt, das Prasseln der Flammen, die Harfentöne der Bögen, das Geräusch der Karrenräder auf dem Pflaster und das Klappern der Bolzen und Pfeile auf Stein. Ehrfürchtig sah Michael Sam zu, der immer weiter schoss und, anscheinend ohne zu zielen, einen Pfeil nach dem anderen auf die Burgmauern jagte.
«Gut, dass wir was sehen können», sagte Sam, als er den nächsten Pfeil abschnellen ließ.
«Meinst du die Brände?»
«Deswegen haben wir die Häuser angezündet», sagte Sam, «damit die Bastarde im Licht stehen.» Er ließ den nächsten Pfeil abschnellen, offenbar ohne jede Anstrengung; doch Bruder Michael hatte einmal versucht, einen Eibenbogen zu spannen, und hatte die Sehne kaum eine Handbreit zurückziehen können.
Der Karren hatte nun das Burgtor erreicht. Dort blieb er stehen, ein dunkler Schatten unter dem dunklen Torbogen, und Bruder Michael sah einen Lichtschein aufschimmern, in sich zusammenfallen, sich wieder aufrichten und sich zu einem zarten, beständigen Glühen entwickeln, während die sechs Männer, die den Karren geschoben hatten, zu den Bogenschützen zurückrannten. Einer von ihnen stürzte, offenkundig von einem Armbrustbolzen getroffen, und zwei andere nahmen ihn an den Armen und schleppten ihn mit zurück, und in demselben Moment bekam der Mönch zum ersten Mal
le Bâtard
zu sehen.
«Das ist er», sagte Sam mit hörbarer Zuneigung, «unser verfluchter Bastard.» Bruder Michael sah einen großen Mann in einem schwarz angemalten, gegürteten Kettenhemd. Er trug hohe Stiefel, eine schwarze Schwertscheide und einen Helm, der aus einer einfachen Beckenhaube bestand, die genauso schwarz war wie sein Kettenhemd. Er hatte sein Schwert gezogen und benutzte es, um ein Dutzend Waffenknechte voranzuwinken, die sich mit überlappenden Schilden in einer Linie auf dem Platz aufstellten. Er warf einen Blick auf Bruder Michael, der feststellte, dass die Nase
le Bâtards
einmal gebrochen und seine Wange vernarbt war, aber er sah auch eine unglaubliche Kraft in diesem Gesicht, eine Wildheit, und er verstand, warum der Abt bei Paville mit solcher Ehrfurcht von diesem Mann gesprochen hatte. Bruder Michael hatte erwartet, dass
le Bâtard
ein älterer Mann wäre, und war von der Jugend dieses Soldaten mit der schwarzen Rüstung überrascht. Dann sah
le Bâtard
Sam. «Ich dachte, du bewachst die Kirche, Sam», sagte er.
«Pockengesicht und Johnny sind noch dort», sagte Sam, «ich bin hergekommen, um diesen Mann zu Euch zu bringen.» Er machte eine Kopfbewegung in Bruder Michaels Richtung.
Der Mönch trat einen Schritt vor und fühlte die ganze Eindringlichkeit von
le Bâtards
Blick auf sich. Mit einem Mal war es ihm bang, und sein Mund wurde trocken vor Angst. «Ich habe eine Nachricht für Euch», stammelte er, «sie ist von …»
«Später», unterbrach ihn
le Bâtard
. Ein Diener hatte ihm einen Schild gebracht, den er sich mit einer Schlaufe über den linken Unterarm hängte, dann drehte er sich zur Burg um, wo es unvermittelt Feuer und Rauch spuckte. Der Rauch war schwarz und rot, Stichflammen loderten daraus empor, und die Nacht wurde vom Donner einer Explosion erschüttert, bei dem sich Bruder Michael vor Schreck auf den Boden duckte. Brennende Holzfragmente jagten in der heißen Druckwelle durch die Gasse. Rauch verhüllte den Platz, und das Echo der Explosion rollte von der anderen Talseite zurück. Vögel, die in den Spalten der Burgmauer genistet hatten, flatterten in die verqualmte Luft, und eines der großen Banner, das Sankt Joseph um Hilfe anrief, fing Feuer und loderte hell vor der Festungsanlage. «Schießpulver», erklärte Sam lakonisch.
«Schießpulver?»
«Unser
Bâtard
ist eben ein schlauer Bastard», sagte Sam. «Das Zeug wird ziemlich schnell mit so einem Tor fertig, was? Ist aber teuer, wohlgemerkt. Das Schwein, dem die Frau weggelaufen ist, hatte den zweifachen Preis zu zahlen, damit wir das Pulver benutzen. Anscheinend will er dieses Weibsstück wirklich unbedingt zurückhaben, bei dem vielen Geld! Ich hoffe, sie ist es verdammt noch mal wert.»
Bruder Michael verstand nun, warum das Stadttor ausgesehen hatte wie von der Faust des Teufels aufgerissen.
Le Bâtard
hatte sich seinen Weg in die Stadt mit Schießpulver erzwungen, und mit demselben Rezept hatte er die großen hölzernen Flügel des Burgtores zerstört. Nun führte er seine zwanzig Waffenknechte zu den Trümmern.
«Bogenschützen!», rief ein anderer Mann, und die Bogenschützen,
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