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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Blutung aus seiner Bauchwunde zum Stillstand zu bringen. Der junge Mönch war Gehilfe in der Krankenstube seines Klosters gewesen, und deshalb ging er auf den Mann zu. «Ich kann das verbinden», sagte er und kniete sich hin, aber der Verwundete knurrte ihn an und holte mit einem Messer aus, dem Bruder Michael nur entging, indem er sich zur Seite fallen ließ. Er kam wieder auf die Füße und schob sich vorsichtig rückwärts weg.
    «Zieh dein Gewand aus», sagte der verwundete Mann und versuchte, dem Mönch zu folgen, aber Bruder Michael rannte inzwischen den Hügel hinauf. Fluchend brach der Mann wieder zusammen. «Komm zurück», rief er, «komm zurück!» Über seinem Lederwams trug er einen Wappenrock, der einen goldenen Falken auf einem roten Feld zeigte, und Bruder Michael wurde klar, dass der goldene Vogel das Symbol der Verteidiger dieser Stadt war und dass der verwundete Mann hatte entkommen wollen, indem er sein Mönchsgewand stahl und es als Verkleidung benutzte, doch stattdessen wurde der Mann nun von zwei Soldaten in grün-weißen Wappenröcken gestellt, die ihm kurzerhand die Kehle durchschnitten.
    Einige Männer trugen Wappenröcke, die einen gelben Bischofsstab zeigten, umgeben von vier schwarzen Wiederkreuzen, und Bruder Michael kam zu dem Schluss, dass dies die Soldaten des Bischofs sein mussten, während die Truppen, die das grüne Pferd auf einem weißen Feld trugen, dem Comte de Labrouillade dienten. Die meisten der Toten hatten den Wappenrock mit dem goldenen Falken an, und dem Mönch fiel auf, wie viele dieser Leichen von langen, englischen Pfeilen mit blutbespritzter, weißer Befiederung durchbohrt waren. Der Kampf war schon durch diesen Teil der Stadt gezogen, und nun sprang das Feuer von einem Strohdach zum nächsten über, während dort, wo es noch nicht brannte, Horden von betrunkenen, zügellosen Soldaten plünderten und vergewaltigten. Ein Säugling weinte, eine Frau schrie, dann taumelte ein Mann, dessen Augen nur noch blutende Höhlen waren, aus einer Gasse und stieß mit dem Mönch zusammen. Der Mann zuckte wimmernd zurück und hob die Hände, um den erwarteten Schlag abzuwehren.
    «Ich tue Euch nichts», sagte Bruder Michael auf Französisch, einer Sprache, die er als Novize gelernt hatte, damit er seine Ausbildung in Montpellier abschließen konnte, aber der Blinde beachtete ihn nicht und stolperte nur weiter die Straße entlang. Irgendwo, vollkommen unvereinbar mit dem Blut und dem Rauch und den Schreien, sang ein Chor, und der Mönch fragte sich, ob er träumte, doch die Stimmen waren echt, so echt wie die Schreie der Frauen und das Schluchzen der Kinder und das Bellen der Hunde.
    Er bewegte sich nun mit größerer Vorsicht weiter, denn die Gassen waren dunkel und die Soldaten wie entfesselt. Er kam an einer Gerberwerkstatt vorbei, in der es brannte, und er sah einen Mann, der in einem Fass mit Urin ertränkt worden war, mit dem die Häute behandelt wurden. Auf einem kleinen Platz, auf dem eine Kreuzsäule stand, wurde er von hinten angegriffen und zu Boden geworfen, und ein bärtiger Kerl im Wappenrock des Bischofs bückte sich, um ihm den Beutel abzuschneiden, der an seinem Hanfgürtel hing. «Geh weg! Geh weg!» Bruder Michael vergaß vor Angst, wo er war, und schrie auf Englisch. Der Mann grinste und kam mit dem Messer bedrohlich nah an Michaels Augen, dann riss er selbst die Augen weit auf, starrte entsetzt vor sich hin, und ein dunkler Blutfächer verdunkelte die flammenerhellte Nacht, als der Mann langsam vornüberkippte. Bruder Michael war mit dem Blut des Mannes bespritzt und sah, dass aus dem Hals seines Angreifers ein Pfeil ragte. Der Mann würgte, umklammerte den Schaft des Pfeils, und dann erschauerte er, als ihm das Blut aus dem offenen Mund pulste.
    «Bist du Engländer, Bruder?», fragte eine englische Stimme, und als Michael aufsah, hatte er einen Mann in einem schwarzen Wappenrock vor sich, auf dem über ein weißes Wappenzeichen der schwarze Schrägstrich zur Kennzeichnung einer Bastardherkunft lief. «Bist du Engländer?», fragte der Mann noch einmal.
    «Ich bin Engländer», brachte Bruder Michael heraus.
    «Du hättest ihm eins überziehen sollen», sagte der Mann, hob Michaels Stab auf und zog dann den Mönch auf die Füße. «Wenn du ihm ordentlich eins übergezogen hättest, wäre er umgefallen. Die Kerle sind allesamt betrunken.»
    «Ich bin Engländer», wiederholte Bruder Michael. Er zitterte. Das frische Blut fühlte sich auf seiner Haut sehr warm

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