1356
Die beiden Mönche sahen ihn kommen und warteten. «Seid Ihr wegen der Pilger hier?», rief der eine zur Begrüßung.
Thomas öffnete den Mund, um zu fragen, was er damit meinte, doch dann war er klug genug, stattdessen zu nicken. «Das sind wir», sagte er.
«Sie sind vor einer Stunde angekommen. Sie werden über Euren Schutz froh sein. Sie glauben, dass die Engländer in der Nähe sind.»
«Wir haben keine Engländer gesehen», sagte Thomas.
«Sie werden sich trotzdem über Eure Ankunft freuen», sagte der Mönch. «Es sind gefährliche Zeiten für Pilgerreisen.»
«Alle Zeiten sind gefährlich», sagte Thomas. Dann führte er seine Gruppe unter dem hohen Torbogen hindurch auf das Klostergelände. Das Hufgeklapper hallte von den Steinmauern zurück, während die Glocke aufhörte zu läuten. «Wo sind sie?», rief Thomas über die Schulter zurück.
«In der Kirche!», rief der Mönch.
«Werden wir von jemandem erwartet?», fragte Genevieve.
«Sie erwarteten uns nicht», sagte Thomas.
«Wer?», fragte sie drängend.
«Einfach Pilger.»
«Schick nach den Bogenschützen.»
Thomas streifte seine drei Gascogner, Robbie und Sire Roland mit einem Blick. «Ich glaube, eine Pilgergruppe ist keine Gefahr», bemerkte er lakonisch.
Die Pferde drängten sich auf dem engen Gelände zwischen der Ringmauer und der Abteikirche. Thomas schwang sich aus dem Sattel und überprüfte unwillkürlich, dass sein Schwert leicht durch die Schwertscheide glitt. Er hörte das Poltern, mit dem die Tore des Klosters geschlossen wurden, und dann das dumpfe Krachen, mit dem der Sperrbalken in die Halterung fiel. Es war inzwischen fast dunkel, und die Klostergebäude hoben sich schwarz gegen das schwache Licht des Himmels ab, an dem die ersten Sterne schimmerten. In einer Wandhalterung brannte eine Fackel zwischen zwei Steingebäuden, in denen die Dormitorien liegen mochten, während zwei weitere hell an der Treppe zur Abteikirche flackerten. Eine gepflasterte Straße führte an der Kirche vorbei und bis zum anderen Ende des Klostergeländes, wo ein weiteres Tor in der hohen Mauer noch offen stand. Thomas sah eine ganze Anzahl gesattelter Pferde und vier Saumtiere, die von Dienern am Zaum gehalten wurden. Er stieg ab und wandte sich der Kirchentreppe zu, wo Funken von den Fackeln aufstiegen und vor der offenen Tür erloschen, durch die Thomas Mönchsgesang hörte, getragen und schön, tief und rhythmisch, verebbend und aufbrandend wie der Wellengang des Meeres. Er ging die Treppen langsam hinauf, und Stück für Stück enthüllte sich ihm das Innere der Kirche, eine Pracht aus strahlenden Kerzen und bemaltem Stein und gemeißelten Säulen und schimmernden Altären. So viele Kerzen! Und das lange Kirchenschiff war voller Mönche in schwarzen Kutten, die kniend sangen, und mit einem Mal erschien Thomas der Gesang bedrohlich, als bräche die ansteigende Flut in tiefen, gefährlichen Wellen. Als er ins Licht der Kerzen trat, konnte er auch die Worte verstehen und erkannte einen Psalm.
«Quoniam propter te mortificamur tota die»
, sangen die Männerstimmen mit langgezogenen Silben,
«aestimati sumus sicut oves occisionis.»
«Was heißt das?», flüsterte Genevieve.
«Denn um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag, wie Schlachtschafe sind wir geachtet.»
«Das gefällt mir nicht», sagte sie unruhig.
«Ich muss nur mit dem Abt sprechen», beruhigte Thomas sie. «Wir warten, bis der Gottesdienst zu Ende ist.»
Er blickte nach vorn zu dem erhöhten Altarraum, wo ein großes Wandgemälde das Jüngste Gericht darstellte. Die Sünder, unter ihnen erstaunlich viele Männer im Priestergewand oder mit Mönchskutten, stürzten auf der einen Seite in ein Höllenfeuer. Näher bei ihm, im Kirchenschiff, befand sich ein Gemälde von Jona und dem Wal, was Thomas in einem Kloster, das so tief im Inland lag, als ein merkwürdiges Sujet erschien, aber es erinnerte ihn daran, dass ihm sein Vater die alte Geschichte erzählt hatte und wie er als kleiner Junge an den Kiesstrand bei Hookton gegangen war und hoffnungsvoll nach einem großen Wal Ausschau gehalten hatte, der einen Mann verschlucken konnte. Jona gegenüber und halb im Schatten von Säulen war ein weiteres Gemälde, und Thomas erkannte Sankt Junien. Es zeigte den Mönch auf einer schneefreien Stelle kniend, wie er in Verzückung gen Himmel blickte, aus dem ein Arm herabreichte, um ihm ein Schwert zu übergeben. «Das ist es!», sagte Thomas staunend.
Die Mönche hinten im
Weitere Kostenlose Bücher