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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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ist nicht hier in Montpellier, oder? Wer jagt Euch also?»
    «Labrouillade hat einen Mann geschickt, der mich bekämpfen soll.»
    «Wen hat Labrouillade geschickt?»
    «Er heißt Roland de Verrec.»
    «Oh du meine Güte!» Die Comtesse wirkte höchst erheitert. «Der junge Roland? Ich kannte seine Großmutter sehr gut, die arme Seele. Wie ich höre, ist er ein großartiger Kämpfer, aber leider hat er kein Hirn.»
    «Kein Hirn?»
    «Diese Ritterromane haben es verkümmern lassen, mein Lieber. Er liest all diese lächerlichen Geschichten von ritterlichen Tugenden und, da er nun einmal kein Hirn hat, glaubt er sie auch noch. Ich gebe seiner Mutter die Schuld daran, sie kennt nur Gebet und Gehässigkeit, und er, der arme Junge, glaubt alles, was sie sagt. Sie erklärt ihm, dass es die Ritterlichkeit gibt, und das stimmt ja auch; allerdings nicht, wenn es um ihren Mann geht, der ein Bock war. Ganz und gar nicht wie sein Sohn! Der jungfräuliche Ritter!» Sie lachte. «Wie dumm kann ein junger Mann sein? Und er ist sehr dumm. Habt Ihr gehört, wie ihm die Jungfrau Maria erschienen ist?»
    «Das hat jeder gehört.»
    «Er war einfach ein dummer Junge, und ich vermute, seine Mutter hatte ihn betrunken gemacht! Denn ich bin sicher, dass die Jungfrau Maria Besseres zu tun hat, als einem jungen Mann das Leben zu verpfuschen. Meine Güte, der arme Junge! Und jetzt träumt Roland davon, ein Ritter aus König Artus’ Tafelrunde zu sein. Ich fürchte, Ihr müsst ihn töten.»
    «Muss ich das?»
    «Es wäre das Beste. Andernfalls betrachtet er Euch als ritterliche Herausforderung und verfolgt Euch bis in den letzten Erdenwinkel.»
    «Er hat mich schon hierherverfolgt», sagte Thomas kläglich.
    «Aber was um alles in der Welt tut Ihr in Montpellier?»
    «Ich wollte einen Gelehrten aufsuchen.»
    «Davon gibt es hier reichlich», sagte sie geringschätzig, «und sie sind ein bunter Haufen. Sie verbringen ihre Zeit damit, sich über die albernsten Dinge zu streiten, aber vielleicht ist eben genau das die Aufgabe der Gelehrten. Darf ich fragen, warum Ihr einen von ihnen aufsuchen wolltet?»
    «Ich suche nach einem Heiligen.»
    «Die sind rar gesät! Was für ein Heiliger?»
    «Ich habe ein Bild gesehen», sagte Thomas und beschrieb den Mönch, der im Gras kniete, während um ihn überall Schnee lag. «Es erzählt eine Geschichte», sagte er, «aber niemand scheint sie zu kennen, und niemand kann mir sagen, wer dieser Heilige ist.»
    «Ein steifgefrorener Heiliger, so wie es klingt, aber warum wollt Ihr wissen, wer er ist?»
    Thomas zögerte. «Mein Lehnsherr», sagte er schließlich, «hat mich mit der Suche nach einer Reliquie beauftragt, und ich glaube, dieser Heilige hat etwas mit ihr zu tun.»
    «Ihr seid genauso schlimm wie Roland! Ihr folgt einer Berufung, wahrhaftig!» Sie lachte in sich hinein. «Irgendwo auf dem Tisch liegt ein Buch, mein Lieber. Bringt es mir.»
    Bevor Thomas das Buch entdeckt hatte, wurden vor der Tür Frauenstimmen hörbar, dann folgte ein zaghaftes Klopfen. «Madame?», rief jemand.
    «Was willst du?»
    «Seid Ihr allein, Madame?»
    «Ich habe einen Mann bei mir», rief die Comtesse, «einen jungen Kerl in der Blüte seiner Manneskraft. Du hattest recht, Schwester Véronique, Gott erhört unsere Gebete.»
    Es wurde gegen die Tür gedrückt, aber die Comtesse hatte den Riegel vorgelegt. «Madame?», rief Schwester Véronique erneut.
    «Sei nicht dumm, Schwester», sagte die Comtesse, «ich brabble laut vor mich hin, weiter nichts.»
    «Dann ist es ja gut, Madame.»
    «Bringt mir das Buch», sagte die Comtesse mit gesenkter Stimme. Es war ein kleines Buch, kaum größer als Thomas’ Hand. Die Comtesse löste die Bänder und schlug die weiche Lederhülle auf. «Es hat meiner Schwiegermutter gehört», sagte sie, «eine herzensgute Frau! Gott allein weiß, wie sie ein Monster wie Henri zur Welt bringen konnte. Ich vermute, dass bei der Empfängnis eine ungünstige Sternenkonstellation geherrscht oder Saturn im Aszendenten gestanden hat. Aus einem Kind, das empfangen wird, wenn der Saturn auf der aufsteigenden Bahn ist, kann nichts Rechtes werden. Männer kümmern sich nie um solche Dinge, aber das sollten sie wirklich. Es ist sehr schön, nicht wahr?» Sie reichte Thomas das Buch.
    Es war ein Psalter. Auch Thomas’ Vater hatte einen besessen, aber nicht so reich gestaltet wie dieser hier, der zwischen den Worten der sieben Bußpsalmen mit wunderbar gemalten Illustrationen und schimmernden

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