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und gar nicht mehr schläfrig, «und wie Ihr bluten werdet!»
Sechs
E s war einfacher, aus dem Konvent zu kommen, als Thomas zu hoffen gewagt hatte. Die Comtesse hatte recht gehabt. Am Ende des Ganges war er durch eine Tür in einen Raum gelangt, in dem übelriechende Kleiderhaufen lagen, die an die Armen verteilt wurden, und von dort aus durch eine zweite Tür, die nur mit einem Riegel verschlossen war, auf die Straße. Thomas hatte eine Lektion im Schachspiel erhalten und war um sieben Leopards ärmer, doch er hatte den Namen des Heiligen gefunden, dem das Petrusschwert übergeben worden war, wenn ihm dieses Wissen auch nichts nutzte, solange er nicht aus Montpellier entkommen war. Er hatte bis tief in die Nacht gewartet, bevor er den Konvent verlassen hatte, weil er wusste, dass die Stadttore erst beim Hellwerden geöffnet wurden. Bis dahin musste er abwarten, denn er glaubte nicht, dass er von der Stadtmauer springen konnte. Die flaggengeschmückten Mauern sahen viel zu hoch aus und waren zweifellos gut bewacht.
Er zog seinen dunklen Umhang eng um sich. Es hatte aufgehört zu regnen, doch die Straße war noch nass und glitzerte im Widerschein einer trüben Laterne, die gegenüber in dem Bogentor eines Hauses hing. Er musste einen Ort finden, an dem er sich bis Sonnenaufgang verstecken konnte, und dann brauchte er viel Glück, um den Männern zu entkommen, die auf der Jagd nach ihm waren.
«Ein Soldat, der Latein spricht», sagte eine Stimme, «das ist wahrhaftig ein Wunder.» Thomas wirbelte herum und erstarrte. Die Zinken einer Mistgabel waren auf seinen Bauch gerichtet, und die Mistgabel hielt der große, irische Student Magister Keane in den Händen. Er war in sein Studentengewand gehüllt, stand als schwarze Gestalt in der Dunkelheit. «Ich vermute, dass Ihr immer noch Euer Messer habt», sagte Keane, «aber ich glaube, meine Mistgabel durchbohrt Eure Eingeweide, bevor Ihr mir die Kehle durchschneiden könnt.»
«Ich will dich nicht töten», sagte Thomas.
«Das zu hören ist wahrlich eine Erleichterung, und da habe ich mir den Kopf zerbrochen, dass ich schon vor der Frühandacht tot sein könnte.»
«Nimm einfach die Mistgabel herunter.»
«Ich fühle mich ganz wohl, wenn sie dort bleibt, wo sie jetzt ist», sagte Keane, «und ich bin sehr zufrieden mit mir.»
«Warum?»
«Alle anderen jagen Euch in der halben Stadt wie ein Rudel Hunde einen Hirschen, aber ich habe vermutet, dass Ihr nur in das Kloster Saint Dorcas gesprungen sein könnt, und ich habe recht gehabt. War das nicht schlau von mir?»
«Sehr schlau», sagte Thomas, «und warum hast du dann alle anderen von Saint Dorcas weggelockt?»
«Weggelockt?»
«Ich habe dich rufen hören, dass ich in die andere Richtung gelaufen wäre.»
«Weil eine Belohnung für denjenigen ausgesetzt ist, der Euch ergreift. Das ist für einen armen Studenten eine außerordentlich große Verlockung! Warum sollte ich mit den anderen teilen? Ich lasse die Mistgabel dort, wo sie ist, und ich bekomme ein paar Monate Bier, Huren, Wein und Gesang.»
«Ich biete dir mehr», sagte Thomas.
«Das hört sich gut an. Der Gesang ist ohnehin umsonst, wie sich versteht, aber das Bier, die Huren und der Wein? Das ist kostspielig in dieser Stadt. Habt Ihr je bemerkt, wie die Entgelte der Huren ansteigen, wenn viele Kirchenmänner in der Nähe sind? Das ist merkwürdig, oder vielleicht auch nicht, wenn man bedenkt, wie viele Kunden die Mädchen haben, und das ist eine Tatsache. Nun, was habt Ihr mir anzubieten?»
«Ich schenke dir dein Leben.»
«Bei Gott, die Maus bietet der Katze an, ihr das Leben zu schenken!»
«Nimm die Mistgabel herunter», sagte Thomas, «hilf mir aus der Stadt, und ich bezahle dir genug für ein Jahr.»
«Eure Frau ist gefangen worden», sagte Keane.
Eiseskälte stieg in Thomas auf. Er starrte den jungen Iren an. «Ist das wahr?»
«Man hat sie am Nordtor aufgehalten und zusammen mit drei Männern und einem Kind abgeführt. Sire Roland de Verrec hat sie, so viel ist sicher.»
«Gütiger Gott», sagte Thomas. «Weißt du, wo sie ist?»
«Es heißt, der jungfräuliche Ritter würde sie Richtung Westen nach Toulouse bringen, aber das ist nur, was im Wirtshaus erzählt wird, und davon ist die Hälfte erfunden. Letztes Jahr haben sie behauptet, am Sankt-Arnulfs-Tag würde die Welt untergehen, aber wir leben immer noch. Glaubt Ihr, er ist wirklich noch Jungfrau?»
«Woher soll ich das wissen?»
«Es scheint mir nur so seltsam. Jungfrau! Wo er
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