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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Höflichkeit behandelt wurden, doch sie vergalt ihm diese Gunst mit trotziger Verachtung, und ihre Worte verletzten ihn. Wäre Roland erfahrener gewesen, dann hätte er den Schrecken hinter ihrer Verachtung erkannt, aber er spürte nur die Stiche ihrer spitzen Worte und versuchte sie milde zu stimmen, indem er dem kleinen Hugh Geschichten erzählte. Die Geschichte vom Goldenen Vlies erzählte er dem Jungen und wie der große Held Ipomadon sich verkleidete, um ein Turnier zu gewinnen, und wie Lancelot das Gleiche getan hatte, und Hugh hörte ihm gebannt zu, während seine Mutter die Erzählungen bloß zu verabscheuen schien. «Und warum haben jene Männer gekämpft?», fragte sie.
    «Um zu siegen, Madame», sagte Roland.
    «Nein, sie haben für ihre Geliebten gekämpft», sagte Genevieve. «Ipomadon hat für Königin Stolz gekämpft und Lancelot für Guinevere, die, ebenso wie die Comtesse de Labrouillade, mit einem anderen Mann verheiratet war.»
    Bei diesen Worten errötete Roland. «Ich würde nicht sagen, dass sie ein Liebespaar waren», äußerte er steif.
    «Was denn sonst?», fragte Genevieve mit zunehmender Wut. «Und Guinevere war eine Gefangene, wie ich es bin.»
    «Madame!»
    «Wenn ich keine Gefangene bin», forderte sie, «dann lasst mich gehen.»
    «Ihr seid eine Geisel, Madame, und steht unter meinem Schutz.»
    Darüber lachte Genevieve nur. «Unter Eurem Schutz?»
    «Bis Ihr ausgetauscht werdet, Madame», sagte Roland förmlich. «Ich schwöre, Euch wird kein Leid geschehen, solange es in meiner Macht steht, das zu verhindern.»
    «Oh, hört auf mit Eurem einfältigen Geschwätz und erzählt lieber meinem Sohn die nächste Geschichte von Ehebruch», zischte sie.
    Also erzählte Roland, was er für eine wesentlich unverfänglichere Geschichte hielt, nämlich die glorreiche Legende seines Namenspatrons, des großen Roland de Roncesvalles. «Er ist gegen die Mauren in Spanien gezogen», erklärte er Hugh. «Weißt du, wer die Mauren sind?»
    «Heiden», sagte Hugh.
    «Ganz recht! Sie sind Heiden und hängen dem falschen Gott an, und als die französische Armee über die Pyrenäen zurückkam, wurde sie von den verräterischen Heiden in eine Falle gelockt! Roland befehligte die Nachhut, und die Feinde waren ihm zwanzig zu eins überlegen, manche sagen sogar, fünfzig zu eins! Doch er besaß ein mächtiges Schwert, Durandal, das einst Hektor von Troja gehört hatte, und diese mächtige Klinge zerschmetterte seine Feinde. Sie starben in Scharen, doch es zeigte sich, dass nicht einmal Durandal die heidnischen Horden zurückhalten konnte, und schon drohten die armen Christen überwältigt zu werden. Aber Roland besaß auch ein magisches Signalhorn, Olifant, und er blies in das Horn, er blies so kräftig hinein, dass ihn die Anstrengung tötete, aber der Klang Olifants rief König Karl den Großen und seine prächtigen Ritter herbei, die den dreisten Gegner niedermetzelten!»
    «Sie waren vielleicht dreist», sagte Genevieve, «aber niemals waren es Mauren. Es waren Christen.»
    «Madame!», protestierte Roland.
    «Macht Euch nicht lächerlich», sagte sie. «Wart Ihr jemals in Roncesvalles?»
    «Nein, Madame.»
    «Aber ich war dort! Mein Vater war ein Gaukler und Feuerschlucker. Wir zogen von Ort zu Ort und verdienten uns ein paar Münzen, unterwegs haben wir viele Geschichten gehört, in Roncesvalles wussten sie, dass es Basken waren, Christen bis auf den letzten Mann, die Roland in den Hinterhalt lockten. Sie haben ihn auch getötet. Ihr behauptet einfach nur, es waren die Mauren, weil Ihr es nicht ertragen könnt, dass Euer Held von aufständischen Bauern getötet worden sein soll. Und was für ein Heldentod soll das sein? In ein Horn zu blasen und umzufallen?»
    «Roland ist ein ebenso großer Held wie Artus!»
    «Der zu klug war, um sich dadurch umzubringen, dass er in ein Horn blies. Und wenn wir gerade von Hörnern sprechen, warum dient Ihr dem Comte de Labrouillade?»
    «Um das Rechte zu tun, Madame.»
    «Das Rechte! Indem Ihr dieses arme Mädchen an sein Schwein von einem Gemahl ausliefert?»
    «Ihren rechtmäßigen Gemahl.»
    «Der die Frauen und Töchter seiner Pächter schändet», sagte sie, «warum also bestraft Ihr nicht Ihn für seinen Ehebruch?» Darauf wusste Roland keine Antwort, und er sah nur Hugh stirnrunzelnd an, weil es ihn peinigte, dass ein so heikler Gesprächsgegenstand vor einem kleinen Jungen ausgebreitet wurde. Genevieve lachte. «Oh, Hugh darf ruhig zuhören», sagte sie. «Ich

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