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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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gemacht, doch irgendetwas an seinem Tonfall ließ ihren Spott versiegen. «Was hat sie gesagt?»
    «Sie war wunderschön», sagte Roland sehnsüchtig.
    «Und sie hat zu Euch gesprochen?»
    «Sie schwebte von der Decke der Kapelle zu mir herab», sagte er, «und hat mir erklärt, dass ich bis zu meiner Heirat keusch leben muss. Dass Gott mich segnen würde. Dass ich auserwählt sei. Ich war damals noch ein Junge, aber ich war auserwählt.»
    «Ihr hattet einen Traum.» Genevieve klang abweisend.
    «Eine Vision», stellte er richtig.
    «Ein Junge träumt von einer schönen Frau», sagte Genevieve mit neu erwachtem Spott, «das ist keine Vision.»
    «Und sie hat mich berührt und mir gesagt, dass ich rein bleiben muss.»
    «Das könnt Ihr ja dem Pfeil erzählen, der Euch töten wird», hatte Genevieve zurückgegeben, und Roland war in Schweigen verfallen.
    Nun, am dritten Tag ihrer Reise, hielt er beständig auf der Straße vor ihnen nach einem Zeichen der Hellequin Ausschau. Es waren recht viele Reisende unterwegs; Händler, Pilger, Viehtreiber oder Leute, die zum Markt gingen, aber keiner von ihnen berichtete von bewaffneten Männern. Roland wurde immer vorsichtiger und hatte zwei Waffenknechte des Comtes eine Viertelmeile vorausgeschickt, um die Straße zu überprüfen, doch im gesamten Verlauf des Tages brachten sie keine beunruhigenden Nachrichten. Roland war angespannt, weil sie so langsam vorankamen, und hatte den Verdacht, dass Genevieve absichtlich für Verzögerungen sorgte, doch er hatte keinen Beweis dafür, und seine Höflichkeit verlangte, dass er jede ihrer Bitten respektierte, sich zurückziehen zu können. Waren die Blasen von Frauen wirklich so klein? Doch in zwei Tagen, dachte Roland, hätten sie Labrouillade erreicht und könnten eine Botschaft an die Hellequin schicken, mit der sie Bertilles Rückkehr im Austausch für Thomas’ Frau und Kind verlangten, und so versuchte sich Roland damit zu beruhigen, dass sein ritterlicher Auftrag schon fast erfüllt war. «Wir müssen uns einen Ort zum Übernachten suchen», sagte er zu Genevieve an ihrem dritten Reisetag bei Sonnenuntergang.
    Dann sah er seine Späher von Norden herangaloppieren. Einer von ihnen schwenkte wild die Arme.
    «Er hat etwas gesehen», sagte Roland mehr zu sich selbst als zu einem seiner Begleiter.
    «Mein Gott», sagte einer der Waffenknechte, denn nun sahen auch sie, was die Späher in Aufregung versetzt hatte. Der Tag ging zur Neige, und die Sonne warf lange Schatten über die Landschaft, doch auf einer Hügelkuppe im Norden, grell beleuchtet von den letzten Sonnenstrahlen, waren Männer. Männer und Stahl, Männer und Eisen, Männer und Pferde. Das Licht blitzte auf Rüstungen und Waffen, auf Helmen und auf der Spitze einer Flaggenstange, auch wenn die Flagge zu weit weg war, um sie deutlich sehen zu können. Roland versuchte die Männer zu zählen, doch die Reiter bewegten sich zu schnell. Waren es zwölf? Fünfzehn?»
    «Vielleicht lebt Ihr nicht mehr lange genug, um noch einmal übernachten zu können», sagte Genevieve.
    «Sie können uns nicht überholt haben», sagte Jacques, wenn auch ohne große Überzeugung.
    Panik ließ Roland zögern. Er war selten in Panik. Bei einem Turnier, selbst bei einem wilden Nahkampf, blieb er in all dem Getümmel ganz ruhig. Er fühlte sich in solchen Momenten, als würde ein Engel ihn beschützen, ihm Gefahren anzeigen und Gelegenheiten zum Zuschlagen. Er war schnell, sodass es ihm auch im größten Tumult so schien, als bewegten sich die anderen Männer nur langsam. Doch nun spürte er echte Angst. Hier gab es keine Regeln, keine Marschälle, die einen Kampf unterbrachen, nur Gefahr.
    «Das Erste, was Ihr bemerken werdet», sagte Genevieve, «ist ein heranjagender Pfeil.»
    «Da drüben muss ein Dorf sein!» Einer der Späher, dessen Pferd mit weißen Schweißflocken bedeckt war, galoppierte an die Seite des zögernden Roland und deutete nach Osten. «Da drüben ist ein Turm.»
    «Ein Kirchturm?»
    «Möglich. Jedenfalls ist da ein Turm. Es ist nicht weit, vielleicht eine Leuge.»
    «Wie viele Männer habt ihr gesehen?», fragte Roland.
    «Zwei Dutzend? Es könnten auch mehr sein.»
    «Reiten wir!», knurrte Jacques.
    Ein holpriger Pfad führte durch ein bewaldetes Tal auf den verborgenen Turm zu. Roland nahm ihn eilig und führte Genevieves Stute am Zügel mit sich. Als er einen Blick über die Schulter warf, sah er, dass die Männer von der Hügelkuppe verschwunden waren, dann war er

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