1356
gegen Villon hatte marschieren lassen, um Bertille zurückzuholen. Er hatte darüber nachgedacht, den Verband von einem seiner Hauptleute anführen zu lassen, während er selbst zu Hause blieb, wo die zwanzig Armbrustschützen und sechzehn Waffenknechte der Burggarnison für seine Sicherheit sorgen würden, doch die Drohung, dass er sein Land verlieren könnte, hatte ihn zu dem Entschluss gebracht, sich selbst auf den Weg zu machen. «Jetzt hol das Weib!», blaffte er seinen Verwalter an, der gezögert hatte, weil er glaubte, sein Herr könnte noch weitere Fragen haben.
Der Comte hob eine Waldschnepfe an die Lippen und nagte das mit Honig aromatisierte Fleisch ab. Nicht so köstlich wie die Ammer, dachte er, und so ließ er die Schnepfe einfach fallen und stopfte sich die zehnte Ammer in den Mund.
Er kaute noch auf dem zarten Gerippe, als Genevieve und ihr Sohn in den kleinen Saal gebracht wurden, in dem er zu essen beschlossen hatte. In dem großen Saal drängten sich seine Waffenknechte, die seinen Wein tranken und seine Vorräte aufaßen, auch wenn er sichergestellt hatte, dass ihnen kein Wild, keine Ammern und keine Schnepfen serviert wurden. Der Comte zerkaute krachend die Knochen des Singvogels, schluckte und deutete auf eine Stelle, die nahe genug am Tisch war, um Genevieve von den hohen Kerzen beleuchten zu lassen. «Stell sie da hin», sagte er, «und warum habt ihr den Jungen mitgebracht?»
«Sie hat darauf bestanden, Messire», sagte einer der Waffenknechte.
«Bestanden? Sie ist nicht in der Position, auf irgendetwas zu bestehen. Mageres Stück, oder? Dreh dich um, Weib.» Genevieve rührte sich nicht. «Ich habe gesagt, dreh dich um, dreh dich einmal um dich selbst, und zwar ganz langsam», sagte der Comte. «Wenn sie nicht gehorcht, Luc, kannst du sie schlagen.»
Luc, der Waffenknecht, der Genevieve am Arm in den Saal gezogen hatte, holte aus, doch er musste nicht zuschlagen. Genevieve drehte sich um sich selbst und sah den Comte dann trotzig an. Er betupfte sich den Mund und sein fettes Kinn mit einer Serviette, dann trank er einen Schluck Wein.»
«Zieh sie aus», sagte er.
«Nein», protestierte Genevieve.
«Ich habe gesagt, zieh sie aus», sagte der Comte und sah Luc an.
Doch bevor Luc gehorchen konnte, wurde die Tür des Saales geöffnet und Jacques, der nun der oberste Truppenführer des Comtes war, trat ein. «Sie haben zwei Boten geschickt, Messire», sagte er, «und angeboten, die Frau gegen die Comtesse auszutauschen.»
«Ach.»
«Sie haben die Comtesse hier, Messire», sagte Jacques.
«Hier?»
«Das hat einer von ihnen gesagt.»
Der Comte stand auf und hinkte um den Tisch. Die Pfeilwunde in seinem Bein pochte, obwohl sie recht gut verheilte. Es bereitete ihm immer noch Schmerzen, dieses Bein mit seinem erheblichen Gewicht zu belasten, und er zuckte zusammen, als er von dem Podest stieg, um sich vor Genevieve aufzubauen. «Euer Gemahl, Madame», knurrte er, «hat mich herausgefordert.» Er wartete auf eine Reaktion von ihr, doch sie schwieg. «Sagt den Boten, sie sollen morgen früh wiederkommen», befahl der Comte, ohne den Blick von Genevieve abzuwenden, «wir tauschen sie beim Hellwerden aus.»
«Ja, Messire.»
«Aber vorher habe ich mit dem Weibsstück noch etwas vor», sagte er. Er war gedemütigt worden, zuerst von seiner Frau und dann von
le Bâtard
. Er vermutete, dass ihn seine eigenen Männer hinter seinem Rücken verspotteten, nicht zuletzt aus diesem Grund hatte er es vorgezogen, allein in dem kleinen Saal zu essen. Wahrhaftig, er wusste, dass ganz Frankreich über ihn lachte. Er war beleidigt worden, man hatte ihm Hörner aufgesetzt. Er war ein stolzer Mann, seine Ehre war so tief verletzt, dass unbändige Wut in ihm aufstieg, und er brüllte wie vor Schmerz, als er den Arm ausstreckte, Genevieves Leinengewand packte und es aufriss.
Genevieve schrie.
Der Schrei stachelte die Wut des Comte nur noch weiter an. Alle Verletzungen der vergangenen Wochen kochten in ihm hoch, und alles, woran er denken konnte, war, sich grausam an den Männern zu rächen, die ihn erniedrigt hatten, und was wäre da besser, als die Hörner von seinem eigenen Kopf zu nehmen und sie
le Bâtard
aufzusetzen? Er riss Genevieve das Gewand herunter, und sie schrie noch einmal und taumelte rückwärts. Ihr Sohn weinte, und der Comte versetzte ihm einen harten Schlag auf den Kopf, dann zog er wieder an Genevieves Kleid. Sie raffte das zerrissene Leinen vor ihrem Hals zusammen. «Du elendes
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