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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Mal.
    «Dass wir beim Hellwerden zurückkommen sollen», sagte Keane.
    Und was würde von jetzt an bis zum Hellwerden mit Genevieve geschehen? Das war die Frage, die Thomas quälte und auf die ihm seine Vorstellungskraft eine hässliche Antwort gab. Doch er konnte sie nicht retten. Er konnte den Burggraben nicht überqueren, nicht die Mauer erklimmen und sich den Weg in die Burg erkämpfen. Dafür würde er eine starke Kampftruppe und Zeit brauchen. «Ihr solltet ein bisschen schlafen», sagte er zu seinen Männern, und das war ein guter Rat, doch die Bogenschützen hatten beschlossen, mit Thomas Nachtwache zu halten. Keiner wollte schlafen.
    «Wie viele Männer hat er wohl in der Burg?», überlegte Thomas laut.
    «Der Bastard hatte ungefähr hundert Mann bei dem Kampf in Villon», sagte Sam.
    «Sie können nicht alle in der Burg sein», sagte Thomas, doch es war nur die Hoffnung, die aus ihm sprach.
    «Groß genug wäre sie», sagte Keane.
    «Und wir haben vierunddreißig Bogenschützen hier», sagte Thomas.
    «Und wir haben Waffenknechte», ergänzte Keane.
    «Er hatte ungefähr vierzig Armbrustschützen dabei», sagte Sam, «oder mehr?»
    «Hat er nicht gesagt, dass er sie austauscht?», fragte Thomas, ebenfalls zum zehnten Mal.
    «Er hat nur gesagt, wir sollen wiederkommen», sagte Keane. «Ich hätte dem Kerl noch ein paar Fragen gestellt, wenn ich gekonnt hätte, aber sie haben Vater Levonne und mir mit einer Armbrust klargemacht, dass wir nicht gerade willkommen waren.»
    Wenn Genevieve etwas angetan wurde, dachte Thomas, würde er
La Malice
vergessen, er würde den Prince of Wales vergessen, er würde alles vergessen, bis er den Comte de Labrouillade auf einen Tisch gefesselt und ihn beschnitten hatte, wie jener den Comte de Villon beschnitten hatte. Aber das war eine müßige Vorstellung in dieser Mondnacht. Es gab Zeiten, in denen ein Mann nichts anderes tun konnte, als abzuwarten und sich mit Träumen gegen die Verzweiflung zu wappnen.
    «Beim Morgengrauen», sagte Thomas, «will ich jeden Bogenschützen und jeden Waffenknecht sehen. Wir zeigen uns. Wir sind kampfbereit, halten uns aber außerhalb ihrer Schussweite.» Es war eine Geste, weiter nichts, das wusste er, aber in diesem Augenblick waren Gesten das Einzige, wozu er imstande war.
    «Wir sind auch jetzt schon bereit», sagte Sam. Wie alle Bogenschützen hatte er seinen Bogen bei sich, auch wenn er in der Erwartung des Morgentaus die Sehne vom Bogen genommen und unter seiner Kappe verstaut hatte. «Und es wird früh hell.»
    «Ihr solltet schlafen», sagte Thomas, «alle, die nicht zur Wache eingeteilt sind, sollten schlafen.»
    «Ja, sollten wir», sagte Sam.
    Und keiner rührte sich.
     
    Vater Marchant legte Roland sanft die Hand auf den Arm. «Ihr habt das Richtige getan, mein Sohn. Sie ist Eure Gefangene, und Ihr musstet sie verteidigen, aber Ihr müsst auch vorsichtig sein.»
    «Vorsichtig?»
    «Das ist der Besitz des Comtes. Er führt hier den Befehl.» Er lächelte. «Aber es ist vorbei. Nun müsst Ihr uns die Gefangene geben.»
    «Gefangene?», fragte Roland. «Sie ist eine Geisel, Vater.»
    Vater Marchant zögerte. «Was wisst Ihr von ihr?», fragte er.
    Roland runzelte die Stirn. «Sie ist von niedriger Geburt und mit
le Bâtard
verheiratet, aber sonst weiß ich nichts Wesentliches.»
    «Mögt Ihr sie?»
    Roland antwortete nicht gleich, dann erinnerte er sich an seine Verpflichtung zur Ehrlichkeit. «Zuerst mochte ich sie nicht, Vater, aber inzwischen bewundere ich sie. Sie hat Esprit. Sie hat einen schnellen Verstand. Ja, ich mag sie.»
    «Sie hat Euch behext», sagte Vater Marchant ernst, «und daraus kann Euch kein Vorwurf gemacht werden. Aber Ihr solltet wissen, dass sie exkommuniziert ist, verdammt von der Heiligen Mutter Kirche. Sie sollte als Ketzerin verbrannt werden, aber
le Bâtard
hat sie gerettet, und dann, um das Böse noch zu verschlimmern, hat sie einen frommen Dominikaner getötet, der ihre Ketzerei entdeckt hatte. Bei allem, was recht ist, mein Sohn, ich kann sie nicht gehen lassen, ich kann nicht zulassen, dass sie ihre abscheulichen Lehren weiter verbreitet. Sie ist verdammt.»
    «Ich habe geschworen, sie zu beschützen», sagte Roland voller Unbehagen.
    «Ich entbinde Euch von diesem Schwur.»
    «Aber sie scheint eine so gute Frau zu sein!»
    «Der Teufel setzt seinem Werk Masken auf, mein Sohn», sagte Vater Marchant, «er hüllt das Laster in strahlende Gewänder und verbirgt die Verdorbenheit mit honigsüßen

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