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unterbrochen, weil Roland ihn so bestürzt angesehen hatte. «Was ist, mein Sohn?»
«Wenn böswillige Männer dieses Schwert führen, werden sie unglaubliche Macht haben!»
«Deshalb gibt es unseren Orden», hatte der Priester geduldig erklärt, «um dafür zu sorgen, dass
La Malice
allein der Kirche gehört.»
«Aber der Fluch kann aufgehoben werden!», hatte Roland gesagt.
«Kann er das?» Vater Marchant hatte überrascht gewirkt.
«Es heißt», hatte ihm Roland erklärt, «wenn die Klinge nach Jerusalem gebracht und in der Grabeskirche gesegnet wird, dann wird der Fluch aufgehoben und das Schwert zu einer Waffe für Gottes Ruhm.» Kein anderes Schwert – nicht Rolands Durandal, nicht die Joyeuse Karls des Großen und nicht einmal Artus’ Excalibur – konnte sich mit
La Malice
vergleichen. Sie wäre die heiligste Waffe auf Gottes Erde, wenn der Fluch aufgehoben werden konnte.
Vater Marchant hatte die Ehrfurcht in Rolands Stimme gehört, doch statt zu sagen, dass eine Reise nach Jerusalem so wahrscheinlich war wie die Wiederkehr des heiligen Petrus, hatte er nur feierlich genickt. «Dann müssen wir diese Pflicht den Aufgaben des Ordens hinzufügen, mein Sohn.»
Nun, in der von Kerzen erhellten Kapelle, wurde Roland in den Orden aufgenommen. Er hatte gebeichtet, er hatte die Absolution erhalten und kniete auf den Altarstufen. Die anderen Ritter standen hinter ihm in dem kleinen, weiß gestrichenen Kirchenschiff. Roland war erfreut gewesen, Robbie in dem Orden anzutreffen, aber der zweite Schotte, der knochenbehängte Sculley, hatte ihn entsetzt. Schon wenige Momente in der Gegenwart Sculleys genügten, um von der Ungehobeltheit dieses Mannes erschüttert zu werden; das unaufhörliche hämische Grinsen, die Flüche, die Bösartigkeit dieses Mannes, sein Spott und seine Lust an der Grausamkeit. «Er ist wirklich ein grobes Werkzeug», hatte Vater Marchant Roland erklärt, «aber Gott nutzt auch den bescheidensten Lehm.»
Nun trat Sculley von einem Fuß auf den anderen und murmelte etwas von Zeitvergeudung. Die anderen Ritter schwiegen, hörten nur zu, als Vater Marchant auf Latein predigte. Er segnete Rolands Schwert, legte ihm die Hände auf den Kopf und hüllte seine Schulter in die Schärpe mit den eingestickten Petrusschlüsseln. Und während er betete, erlosch in der Kapelle eine Kerze nach der anderen. Es war wie bei der Karfreitagsmesse, wenn der Tod des Erlösers symbolisiert wurde, indem die christlichen Kirchen in Dunkel getaucht wurden. Als schließlich die letzte Kerze flackerte und ausging, waren da nur noch das blasse Mondlicht hinter dem einzigen hohen Fenster der Kapelle und die kleine rote Flamme des Ewigen Lichts, das Schatten in der Farbe getrockneten Blutes auf das silberne Kruzifix warf, dessen Christus Roland anbetend betrachtete. Er hatte seine Bestimmung gefunden, er hatte eine ritterliche Aufgabe gefunden, die seiner Reinheit würdig war, und er würde
La Malice
finden.
Dann schrie Genevieve.
Und schrie erneut.
Keane und Vater Levonne waren bis nahe vor die Zugbrücke geritten, wo der Ire zu einem Wächter hinaufrief, der die beiden Reiter im Mondlicht ansah und dann ein paar Schritte auf dem Wehrgang des Torhauses ging. «Hast du gehört?», rief Keane. «Sag deinem Herrn, dass wir seine Frau haben! Er will sie zurück, oder?» Er wartete. Sein Pferd stampfte auf. «Mann, hast du gehört? Wir haben seine Frau hier!» Der Wächter beugte sich zwischen zwei Zinnen vor, um Keane noch einmal anzusehen, antwortete aber nicht, und nach ein paar Augenblicken zog er sich hinter die Zinnen zurück. «Bist du taub?», schrie Keane.
«Mein Sohn», rief Vater Levonne, «ich bin Priester! Lass mich mit deinem Herrn sprechen!»
Keine Antwort. Der Mond beschien die Burg und schimmerte weiß auf dem Wasser des Burggrabens, über das der Wind fuhr. Es war nur ein Mann auf dem Wehrgang des Tores zu sehen gewesen, aber nun war er verschwunden und hatte Keane und Levonne offenbar allein gelassen. Der Ire wusste, dass Thomas und ein Dutzend weitere Männer von dem Wald aus zusahen, aber er fragte sich, wer ihn durch die dunklen Schießscharten in der Ringmauer und den mondbeschienenen Türmen noch beobachtete und ob diese Beobachter die kurzen, schweren Bolzen mit den Stahlspitzen in ihre Armbrüste eingelegt hatten. Die beiden Wolfshunde waren Keane gefolgt und begannen zu winseln. «Hört uns irgendjemand?», rief Keane.
Ein Windstoß hob die Flagge auf dem Bergfried, das Banner regte
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