136 - Chopper ruft die Leichen-Ladies
Innern keimte jedoch die Hoffnung,
dass jene Frau Dr. Coplin sich noch mal bei ihm melden würde und er dann eine
Erklärung erhielt.
Dies eigenartige Gefühl, das ihn so bestimmt
erfüllte, trog ihn nicht. Der Anruf erfolgte zehn Minuten nach vier Uhr
nachmittags.
„Wir hatten ein Rendezvous, Doktor“, sagte
die sinnlich aufregende Stimme. „Ich habe es nicht vergessen. Ich hatte jedoch
leider keine Zeit, den Termin einzuhalten, ln einer Viertelstunde bin ich bei
Ihnen.“
Diesmal hielt sie Wort. Betschan fühlte eine
rätselhafte Unruhe und eine Erwartung, wie er sie zum letzten Mal empfand, als
er sich während seiner College-Zeit mit einer Freundin traf die er heiß
begehrte. Der Arzt stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte aus dem
ersten Stock hinunter auf den freien Platz vor dem u-förmig gebauten
Sanatorium. Das Haus und die angrenzenden Wirtschaftsgebäude lagen inmitten
eines ausgedehnten privaten Parkgeländes. Alles gehörte einem Mann. Ihm,
Betschan.
Durch die Allee näherte sich ein Wagen. Ein
dunkelblauer Mercedes führ vor. Die Frau, die ausstieg, war bemerkenswert
schön. Fast zu schön, um irdisch zu sein: Langes schwarzes Haar, ein Gesicht,
das unter der Hand eines Künstlers entstanden zu sein schien, eine aufregende
Figur, die durch die perfekt sitzende Kleidung noch mehr zur Geltung kam. Die
Frau hatte eine Arzttasche bei sich.
Zwei Minuten später stand die Besucherin vor
dem Schönheitschirurgen, und er musste sich im Stillen eingestehen, dass die
Reize dieses weiblichen Wesens ihn aus der Nähe noch mehr ansprachen.
„Ich wusste, dass Sie noch kommen würden“,
sagte er nach der Begrüßung. Er hauchte einen Kuss auf ihre schlanke, angenehm
duftende Hand.
„Obwohl Sie nach dem ersten Anruf nichts mehr
von mir hörten?“, fragte sie mit sanfter Stimme und hielt seine Hand ein wenig
länger fest, als es allgemein üblich war.
„Obwohl Sie mich aufsitzen ließen, wie man so
schön sagt.“
„Und Sie erwarten keine Erklärung für meine
Verspätung?“
„Wenn eine nötig ist, bin ich sicher, dass
Sie sie mir noch geben werden.“ Marina, die Hexe, hob auf eine Art die
Augenbrauen, wie er es noch nie bei einer Frau gesehen hatte. „Ich sehe,
Doktor, wir verstehen uns - Gut, verlieren wir nun keine weitere Zeit mehr.
Führen Sie mich zu Ihrer ersten Patientin, damit ich Ihnen meine Erfindung
zeigen kann. Ich bin sicher, Sie werden diesen Augenblick nie vergessen.“
Dr. Eduard Betschan verstand die Welt und in
erster Linie sich selbst nicht mehr. Nie hätte er es jemanden gestattet, eine
seiner Patientinnen gewissermaßen als Versuchskaninchen zu benutzen, ohne sich
vorher durch entsprechende Qualifikation auszuweisen. Bei dieser Marina Coplin
aber war alles anders...
Er merkte es, aber er fand keine Erklärung
dafür. Die hätte er gehabt, wenn er gewusst hätte, dass die Frau mit der er es
zu tun hatte, eine echte Hexe war. Er stand unter ihrem Bann. Durch das
Telefonat in jener fraglichen Nacht, hatte sie ihre magischen Einflüsse auf ihn
wirken lassen, ohne dass ihm dies bisher zu Bewusstsein gekommen wäre. Er
merkte zwar eine gewisse Veränderung seiner Wesensart, führte dies aber darauf
zurück, dass die Frau einen ausgesprochen intensiven Eindruck auf ihn machte.
Das Haus glich eher einem teuren Hotel als
einem Sanatorium. Alles war aufs Feinste hergerichtet, und der Eindruck von
Krankenhaus wurde vermieden, wo immer es ging. Ganz ließ sich dies allerdings
nicht unter den Teppich kehren. Es gab einen Hinweis auf den Operationssaal.
Hier führte Betschan mit einem bewährten Mitarbeiterstab alle notwendigen
chirurgischen Eingriffe durch.
„Die Frau, zu der ich Sie führe, ist aus
dieser Stadt und die Gattin eines Kollegen erklärte Betschan auf dem Weg zu
Marinas Einsatzort. „Sie ist achtunddreißig Jahre alt und war sehr schön, ehe
es passierte. Vor zwei Jahren hatte sie in einer unübersichtlichen Kurve einen
schweren Autounfall. Der Wagen überschlug sich mehrmals und brannte völlig aus.
Selbst schon brennend konnte sie sich noch aus eigener Kraft aus dem völlig
zertrümmerten Fahrzeug befreien. Sie wurde von Landarbeitern gerettet, die den
Unfall von einem nahen Feld aus beobachtet und sich auf den Weg gemacht hatten.
Sie konnten die Flammen mit ihrer Kleidung und den Reisigbüscheln, die sie auf
sie schlugen, löschen, in bedenklichen Zustand wurde die Frau ins Hospital
eingeliefert. Zwei Hauttransplantationen hat sie bereits hinter sich.
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