136 - Chopper ruft die Leichen-Ladies
Verbrechen eventuell zur
Rechenschaft gezogen zu werden, kam ihm gar nicht.
Brettsteifblieben seine Hände in der Luft vor
dem teuflisch-schönen Antlitz der Hexe hängen, als wären sie an unsichtbaren
Fäden befestigt...
Er konnte sich keinen Millimeter mehr von der
Stelle bewegen. Seine Füße klebten förmlich am Boden, und sein Körper war steif
und bewegungslos.
„Ich mag es nicht, wenn man Hand an mich
legt“, sagte die Hexe mit amüsiertem Lächeln, und plötzlich mochte Betschan
ihre Schönheit und ihr ganzes reizendes Äußeres überhaupt nicht mehr. Es stieß
ihn jetzt geradezu ab, aber er konnte es ihr nicht mal ins Gesicht schreien,
weil seine Stimmbänder ihm den Dienst versagten. „Sie werden sich erst wieder
bewegen können, wenn es mir passt! Und - wenn Sie mir zugehört haben! Ich bin
aus einem ganz besonderen Grund hier, Doktor! Ich brauche Sie und Ihr Sanatorium!
Lebend allerdings nützen mir Ihre Patientinnen gar nichts. Sie müssen sterben,
um einem anderen das Dasein zu ermöglichen. Dieser andere ist ein Geist aus
einer anderen Welt, ein Jenseitiger, der andere Körper braucht, um agieren zu
können. Einer reicht ihm aber nicht. Er muss die Körper häufig wechseln. Und
nur frische Leichen kommen für ihn in Frage. Das ist seine Bedingung. Dafür
schenkt er den Leichen aus Ihrem Sanatorium auch ein gutes Aussehen. Das ist
jedoch nur eine Seite der Medaille. Sie werden sich fragen, warum ausgerechnet
Sie und Ihr Sanatorium. Die Antwort ist einfach. Dieser Ort bietet uns
optimalen Schutz, und wir können unbemerkt von der Außenwelt all das in die
Wege leiten, was notwendig ist, um von hier aus eine gespenstische Herrschaft
und die Macht der Hexen wieder einzusetzen. Die gab es früher schon. Vorfahren
von mir wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aber die Hexen von damals
kommen wieder. Ich bin eine von ihnen. Und ich werde nicht die Einzige bleiben.
Ich habe Macht, viel Macht, wenn ich sie richtig einsetzen kann. Chopper aber,
mein Freund aus dem Jenseits, hat noch mehr Macht. Und mit seiner Hilfe wird es
mir gelingen, die Seelen derer, die als Hexen ihr Leben ließen und echte Hexen
waren zu befreien und zurückzuholen - in diese Welt und diese Zeit. Und ihr
Sanatorium, Doktor, soll so etwas wie Choppers und meine Einsatzzentrale
werden. Außerdem noch - die Falle für einen Feind, der uns hartnäckig bekämpft
und den wir nicht lebend gebrauchen können: Larry Brent ist sein Name! Er weiß
noch nicht, was ihn hier erwartet. Wüsste er es, würde er den Tag verfluchen,
an dem er geboren wurde. Und damit es Ihnen nicht auch so geht, Doktor, werden
Sie schön an meiner Seite bleiben und weiterhin Ihr Sanatorium nach bewährtem Muster
fuhren. Nichts wird sich ändern. Sie werden Ihre Termine wahrnehmen und keinen
einzigen absagen. Sie werden so sein wie immer. Bis auf eine Kleinigkeit: Von
nun an werden Sie mir gehorchen!“ Sie schnippte in diesem Moment mit den
Fingern und murmelte ein seltsam klingendes Wort. „Wenn ich meine rechte Hand
sinken lasse, werden Sie sich wieder bewegen können. Sie werden jedoch nicht
mehr den Wunsch haben, mich zu töten. Ihr oberstes Ziel wird sein, meine
Wünsche zu erfüllen, für Chopper, den Dybuk, und mich da zu sein
...
Sie werden wie aus einem tiefen Schlaf
erwachen, und es wird selbstverständlich für Sie sein, dass ich anwesend bin,
dass Mary Sincon tot ist und es noch weitere Tote
geben wird. Sie werden mich unterstützen, weil es Ihr Herzenswunsch ist.“
Marinas Hand sank herab. In Eduard Betschans
steifen Körper kam wieder Leben. Er ließ die Würgerhände sinken und lächelte.
Er war nicht mehr der alte. Aber das merkte ihm niemand an Der posthypnotische
Befehl der Hexe bestimmte sein Fühlen, Denken und Handeln.
„Kommen Sie, Doktor! Wir sind doch gute
Freunde“, lächelte Marina und hakte sich bei Betschan unter wie bei einem alten
Freund. „Gute Freunde sollten keine Geheimnisse voreinander haben. Ich will
Ihnen noch etwas zeigen. Drüben im Bad. Eine alte Bekannte, um die Sie sich
keine Sorgen mehr machen sollten. Sie ist endlich eingetroffen.“
Bis zum Badezimmer waren es fünf Schritte.
Dann sah Eduard Betschan, dass jemand in der im Boden eingelassenen Wanne lag.
Eine Frau im khakifarbenen Leinenkostüm, heller, aufgeknöpfter Bluse und
Stöckelschuhen. „Ada Vandura!“, rief Betschan aus. „Wie kommt die denn
hierher?“ „Wir Hexen haben da unsere eigenen Methoden. Reisen durch die Luft
sind für uns eine
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