136 - Chopper ruft die Leichen-Ladies
hatte, hieß Susan Mailer.
Susan saß auf dem Rücksitz, als der Wagen
sanft die Anhöhe hinaufrollte, auf das große, schmiedeeiserne Tor zu, das zu
beiden Seiten vom Licht romantisch aussehender Laternen beleuchtet wurde.
Hinter dem Gitter breitete sich der gepflegte, riesige Park aus. Der Cadillac
kam gar nicht zum Halten. Aus dem Schatten hinter dem linken Torpfosten löste
sich lautlos eine Gestalt, ein Mann in dunkler Kleidung. Er zog die beiden Flügel
auseinander und winkte den Wagen auf den nach links fahrenden Seitenweg. Mr.
Henderson befolgte den Hinweis. Der Mann drückte die beiden Torflügel nur bei
Seite und stieg dann zu Henderson ins Auto.
„Betschan“, sagte er knapp, nickte dem Mann
am Steuer zu und warf dann einen längeren Blick auf die Frau auf dem Rücksitz.
Susan Mailer trug einen schwarzen, dichtgewebten Schleier über dem Kopf, der
ihr Gesicht verbarg. „Haben Sie Schmerzen?“, wandte Betschan sich mit leiser
Stimme an sie.
Susan Mailer stöhnte verhalten und antwortete
mit tränenerstickter Stimme. „Ein leichtes Brennen, Doc ... Es ist zum
Aushalten. Aber wie ich aussehe! Sie können sich keinen Begriff davon machen
...“
„Es gibt nichts, das sich nicht wieder
zusammenflicken ließe. Sie müssen mir alles erzählen. Auch die Namen der Stoffe
nennen, mit denen Sie gearbeitet haben. Aber das kommt alles später. Ich werde
Sie umgehend untersuchen. Heute Nacht werde ich natürlich nichts mehr tun
können. Aber ich werde Sie gleich morgen früh als Erste vornehmen, das
verspreche ich Ihnen.“
„Danke, Doc.“
Der Weg führte in weitem Bogen um Blumenbeete
und Gruppen aus Farnen und Büschen. Hinter dem Seitengebäude wurde Henderson
aufgefordert anzuhalten. Hier hinten war es stockfinster. Hinter keinem der
zahlreichen Fenster brannte Licht. Das Hauptgebäude, rund dreißig Schritte von
ihnen entfernt, lag bis auf drei Fenster in der ersten Etage und dem
beleuchteten Haupteingang ebenfalls im Dunkeln. Eduard Betschan lief um den
Wagen herum und öffnete die Tür neben der völlig apathisch wirkenden,
verschleierten Frau. Er reichte ihr die Hand, und Susan Mailer griff danach.
Durch die Hintertür betraten die Ankömmlinge
das Gebäude. Mr. Henderson, der einen kleinen Koffer mitbrachte, in dem sich
außer Nachthemd, Unterwäsche, einem Kleid und Waschzeug nichts weiter befand
bildete den Abschluss.
In einem gemütlich eingerichteten Raum, der
keinerlei Ähnlichkeit mit einem herkömmlichen Untersuchungszimmer hatte, bat
Eduard Betschan die Frau, den Schleier abzunehmen. Zögernd tat es Susan Mailer.
Sie sah erbarmungswürdig aus. Das Gesicht war - bis zum Halsansatz hinunter -
eine teigige, aufgeworfene und geschwollene Masse. Betschan ließ sich sein
Erschrecken nicht anmerken. Er gestand allerdings ehrlich ein, dass er so etwas
noch nie gesehen hätte. Er betastete die geschwollene, krank aussehende Haut.
Susan Mailer kannte ihr Spiegelbild und damit
ihre Wirkung. Die Nase hob sich kaum mehr aus dem aufgedunsenen Gesicht ab. Die
Augen waren bis auf schmale Schlitze geschwollen. Ein Lid hing schwer und
offenbar von Gewebsflüssigkeit gefüllt herab, so dass eine weitere Unwucht in
diesem Antlitz entstand. Susan Mailer sah aus wie ein Geschöpf aus dem
legendären Labor des Barons von Frankenstein.
„Können Sie etwas für mich tun?“ Susan Mailer
hatte Mühe, den geschwollenen Mund zu öffnen. Ihre Stimme klang dumpf und
verändert „Sagen Sie mir ehrlich, woran ich bin.“
Betschan antwortete nicht gleich. Er tastete
Susans Gesicht ab. „Schmerzen?“
„Ja, wenn Sie darauf drücken. Sehr sogar...“
„Mhm. Ich werde tun, was in meiner Macht
steht. Miss Mailer. Ich werde mit der Behandlung gleich am Morgen beginnen.
Heute Nacht kommt es darauf an, dass Sie schlafen, und zwar tief und ruhig,
damit Sie ausgeruht sind. Ich werde Ihnen nachher noch etwas bringen.“
Susan nickte. „Ich möchte außer Ihnen, Doc
niemand sehen. Bitte, halten Sie mir jede andere Person fern. Ich empfange auch
keine Besuche. Es weiß niemand, was geschehen ist und dass ich mich hier
aufhalte. Ich habe nur einen Wunsch an Sie: Geben Sie mir wieder ein Gesicht!“
Er nickte ihr zu, sagte ein paar aufmunternde
Worte und gab ihr dann einen Schlüssel in die Hand. „Sie können selbst
bestimmen, wem Sie Ihre Tür öffnen wollen.“ Mit diesen Worten öffnete er eine
Zwischentür. Dahinter lagen der Schlafraum und das Badezimmer. „Dies ist für
die nächste Zeit Ihr Apartment. Außer mir
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