136 - Chopper ruft die Leichen-Ladies
weiß niemand, dass Sie sich in diesem
Haus aufhalten.“ Henderson stellte den kleinen Lederkoffer ans Fußende des
Bettes. „Damit komme ich natürlich nicht aus“, machte Susan sich bemerkbar. „Du
musst mir morgen oder übermorgen dringend noch ein paar Sachen bringen.“ Sie
klappte demonstrativ den Deckel aus. und die Handvoll Dinge, die darin lagen,
ließen sich sofort überschauen. Sie nahm den Waschbeutel heraus.
Draußen vor der Tür wechselten Betschan und
Henderson noch einige Worte.
Betschan verhehlte dem Mann gegenüber nicht
seine Bedenken. „Bringen Sie mir eine Liste der Stoffe mit, mit denen sie in
Berührung gekommen ist. Dann kann ich noch mehr sagen.“
„Behalten Sie das, Doc. was Sie durch die
Liste erfahren, für sich“, bat Henderson. „Die Stoffe in ihrer teilweisen neuen
Zusammensetzung dürfen in der Öffentlichkeit nicht bekannt werden. Überhaupt
darf kein Wort über das fallen, was geschehen ist.“
„Aber ich ..."
„Ich helfe Ihnen, wo ich kann. Darüber hinaus
sind Informationen für Sie uninteressant, Doc. Darauf hatten wir uns geeinigt.“
Mit abgeblendeten Scheinwerfern führ der
Cadillac Sevilla wenig später den Weg entlang, den er gekommen war. Zeit:
Vierzehn Minuten nach Mitternacht. Betschan schloss die Torflügel wieder. Leise
klirrend wurde der Riegel vorgeschoben. Die roten Rücklichter des sich
entfernenden Wagens verschwanden in der Dunkelheit.
Dr. Eduard Betschan lief quer durch den
dunklen Park. Der Mann sah aus wie immer, sprach mit den Besuchern, Kollegen,
dem Personal und seinen Patienten wie gewohnt - und war doch ein anderer als
zuvor. Er war eine Marionette! Andere hatten in dem Betschan-Sanatorium das
Sagen. Er selbst - war nur noch das Ausstellungsstück, der Repräsentant. In der
Klinik selbst ging Unheimliches vor. Auch jetzt, in diesen Minuten ...
In der zweiten Etage des Hauptgebäudes, das
u-förmig errichtet war, waren die Läden an den Fenstern heruntergelassen. In
den Räumen passierte einiges, das nichts mehr mit der ursprünglichen Arbeit des
Chirurgen und seines Teams zu tun hatte. Der Zugang zu dieser Abteilung war
durch Betschan untersagt worden. Seine Helfer und Angestellten respektierten
stets die Anordnungen des Mannes, dem dies alles gehörte und der allein die Entscheidungen
zu treffen hatte. Da machte sich niemand Gedanken darüber. Es gehörte zum
Alltag des Spezial-Sanatoriums, dass Betschan einige besondere Persönlichkeiten
unter seine Fittiche nahm, deren wahre Namen in den seltensten Fällen bekannt
wurden. Dazu gehörten die Frauen prominenter Staatsoberhäupter, Angehörige
europäischer Fürstenhäuser ebenso wie die Großen aus der Welt von Film und
Fernsehen. Doch die Betten, Teppiche, die Sitzgruppen und feinen Schränke, mit
denen diese Räume in dem U- Anbau normalerweise eingerichtet waren, schienen
sich in Luft aufgelöst zu haben. Betschan wusste das, aber er sprach nicht
darüber und machte niemand darauf aufmerksam. Die Räume waren leer und kahl -
wie Kammern in einem Leichenhaus. Und so sahen sie auch aus. Särge standen in
Reih und Glied nebeneinander.
Wo kamen die her? Niemand hatte sie gebracht.
Das wäre auch zu auffällig gewesen. Marina hatte sie mit ihrer Hexenkraft aus
verschiedenen Leichenhäusern und Sarg-Schreinereien entfernt. Hier im
Sanatorium wurden sie gebraucht, denn seit der Ankunft der Hexe und ihres
unsichtbaren Scheusals waren viele Menschen gestorben. Iwan Kunaritschew, den
die schwarzhaarige Frau mit den umwerfenden Reizen in das Sanatorium gebracht
hatte, befand sich in diesen Minuten in einer solchen Leichenkammer, von dessen
Wänden sogar die kostbaren Tapeten entfernt waren, so dass das kalkige,
fleckige Weiß des Verputzes zum Vorschein kam. ln den drei Räumen der Suite
standen insgesamt neun Särge. Ohne Deckel. Leichen lagen darin. Frauen, die im
Sanatorium Schönheit erwartet hatten - und genau das Gegenteil fanden. Tod und
- Hässlichkeit.
Starr und steif lagen sie in ihren
Totenkisten, als lägen sie zum Abrufbereit. Iwan Kunaritschew war das einzige
Lebewesen in der Nähe, das atmete. Auch er konnte sich noch immer nicht
bewegen. Mit ihrer Hexenkraft hielt Marina den starken Russen abhängig und
hilflos. Iwan hockte auf einer harten Bank und nur seine Augen bewegten sich.
Die hatten sich längst an das Dunkel gewöhnt und nahmen die fahlen, bleichen
Gestalten deutlich in der Finsternis wahr. Außerdem fielen durch die Ritzen des
Ladens der Schimmer des Sternenlichts und
Weitere Kostenlose Bücher