136 - Chopper ruft die Leichen-Ladies
Bluse war ärmellos und hatte einen gewagten Ausschnitt, der
viel freie gebräunte Haut und den Ansatz der Brüste sehen ließ. Die Frau hatte
schwarzes Haar, ein ausgesprochen hübsches Gesicht und wirkte anziehend auf
Männer. Um ihre schöngeschwungenen Lippen spielte allerdings ein Lächeln, das
einen heimlichen Beobachter der Szene zur Vorsicht gemahnt hätte. Es war ein
rätselhaftes, teuflisches und gefährliches Lächeln. Das Lächeln eines Vamps, der
sich seiner Wirkung auf Männer wohl bewusst ist, und der weiß, dass er über
Macht verfugt. Genau das traf bei der geheimnisvollen nächtlichen Besucherin
zu, die nicht durch eine Tür oder ein Fenster gekommen war, sondern durch die
Luft.
Es war Marina, die Hexe. Sie ging auf die
Schläferin zu und legte ihre Hand flach auf die Stirn der Ahnungslosen. Marinas
Lippen bewegten sich. Schnell sprach sie eine Formel, die nur ihr bekannt war.
Es waren Worte darunter, mit denen ein Normalsterblicher nichts anzufangen
wusste. Das Gesicht der Schläferin schien zu einem Spiegelbild dessen zu
werden, was in ihr vorging. Malena schien ganz bestimmte Traumbilder und
Eindrücke zu empfangen.
„Wenn ich meine Hand von deiner Stirn nehme“,
flüsterte die geheimnisvolle Besucherin - sie sprach englisch, „wirst du den
Wunsch haben, den Mann zu umarmen, der durch deine Schlafzimmertür kommt. Er
ist jung, schön und stark.“
Marina zog ihre Hand zurück. Im gleichen
Augenblick schlug Malena die Augen auf. Ihr war warm, und sie strampelte das
dünne Laken völlig nach unten, reckte ihren schönen, geschmeidigen Körper und
streckte die Arme in die Luft, als wollte sie nach etwas greifen. Sie richtete
sich auf und blickte sich verwirrt um.
Die Fremde stand im Dunkeln und löste sich
auf wie ein Schemen. Die Geistergestalt, die für einige Minuten so real
vorhanden war, verschwand, als hätte es sie nicht gegeben.
Die Afrikanerin wirkte ein wenig beunruhigt.
Ihr kam es so vor, als würde sich jemand in unmittelbarer Nähe aufhalten, den
sie bloß nicht wahrnehmen konnte. Malena fühlte die Beklemmung, die wie ein
stählernes Band ihr Herz einengte. Einen Moment hatte sie das Gefühl, in großer
Gefahr zu schweben, und sie sagte sich, dass es besser wäre, aufzustehen, sich
anzuziehen und die Wohnung zu verlassen. Aber dann schalt sie sich im Stillen
eine Närrin. Ihre Furcht war unbegründet. Sicher hatte sie schlecht geträumt.
Da klopfte es sanft an der Tür. Noch ehe
Malena leise Herein sagen konnte, wurde die Klinke bereits niedergedrückt. Im
Türrahmen stand ein fremder Mann. Nur jetzt, wo es eigentlich einen Grund für
die innere Unruhe und die Furcht gab, verhielt die Frau sich umso
befremdlicher. Sie schwang die langen Beine über den Bettrand und lief dem
nächtlichen Besucher entgegen.
„Endlich!“, stieß sie hervor und warf sich
dem Fremden in die Arme. „Ich habe schon so auf dich gewartet..."
Sie reagierte, wie der hypnotische Befehl es
von ihr verlangte. Der Mann war groß und blond, hatte breite Schultern und sah
aus wie ein Germane oder Römer aus vorchristlicher Zeit. Malena hatte eine
Schwäche für muskulöse Männer, vor allem für Blonde. Das war ihr Traummann! So
hatte sie ihn sich stets vorgestellt. Sie umarmte ihn und spürte seine starken
Arme, die sich um ihre Schultern und ihre bloßen Hüften legten. Fest presste
der andere sie an sich. Sie küsste ihn heiß und leidenschaftlich und vergessen
war Hans Botumba, mit dem sie ein gemeinsames Leben plante. Der geheimnisvolle
Besucher, dessen Hände über ihren jugendlichen verführerischen Körper glitten,
erfüllte ihr ganzes Denken und Fühlen. Er trug ein blaues Sporthemd und eine
khakifarbene Hose. Mechanisch begann sie, die Hemdknöpfe zu öffnen. Dann zog
sie ihn quer durchs Zimmer auf ihr Bett. Seine Hände führen durch ihr dichtes,
langes Haar, das sie nachts immer offen trug.
Unten in die stille Straße fuhr mit hoher
Geschwindigkeit ein Auto und hielt genau vor dem vierstöckigen Haus, in dem
Malena ihre Wohnung hatte. Es handelte sich um ein Taxi, am Steuer saß Hans
Botumba!
„Okay, Chopper“, sagte er in den Rückspiegel
und nickte, als hockte dort ein Wesen, das jedes seiner Worte und jede seiner
Gesten verfolgen konnte „Wir sind da. Nun werde ich dir beweisen, dass ich
recht habe und nicht du ...“
„Wir werden sehen“, antwortete die knarrende
Geisterstimme.
Hans Botumba verließ sein Auto und warf einen
Blick an der Hausfassade empor. Hinter sämtlichen
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