136 - Im Schloss der Daa'muren
und angriffslustig.
Den Wölfen gehörte die Nacht, und wer ihnen vor die Zähne kam…
Ann beugte sich Jana zu und flüsterte: »Hör mal, vielleicht fliehen wir besser erst morgen!«
»Ist gut«, flüsterte Jana zurück, wie sie es jeden Abend tat.
Dann liefen die Mädchen ins Haus, und Mamm Kalina legte das schmale Holzbrett vor die Schwelle – ebenfalls wie jeden Abend.
Es gab böse Geister in den Wäldern, hatte sie Ann erzählt.
Sie schlichen nachts ums Haus, und wenn sie eine unbewachte Tür fanden, kamen sie herein und fraßen den Leuten im Schlaf das Herz heraus. Lag aber ein Holzbrett vor der Tür mit der eingeritzten Nachricht: Heute nicht! Morgen!, dann gingen sie wieder, weil sie dachten: Schön, dann komme ich eben morgen zurück!
So konnte man die Geister ewig draußen halten. Und damit sie nicht wütend wurden, weil sie ja umsonst gekommen waren, legte ihnen Mamm Kalina immer ein Stück Fleisch hin.
Das war jeden Morgen weg!
***
»Irgendwelche Veränderungen?«, fragte Commander Drax, während er dem Navigator des EWATs eine Hand auf die Schulter legte und sich stirnrunzelnd vorbeugte. Matt wusste nicht mehr, wie oft er diese Frage schon gestellt hatte. Er war zur Untätigkeit verurteilt, und das machte ihn nervös.
»Keine, Sir«, antwortete Jonah Goldman so ruhig, wie er es jedes Mal seit Überfliegen der ehemaligen Landesgrenze getan hatte. Der junge Techno sah auf. Sein in Londoner Bunkerkreisen hoch angesehener Fluggast wirkte angespannt, und Goldman verspürte den unseligen Drang, sich irgendwie helfend zu betätigen. Er zeigte auf den Restlichtverstärkten Monitor. Grün in Grün zogen dunkle Schemen vorbei, von der Bugkamera des EWATs eingefangen.
»Da draußen ist nichts, Sir!«, versicherte er. »Die letzte Siedlung haben wir vor einer Stunde passiert, das letzte Lagerfeuer liegt dreißig Meilen hinter uns. Seitdem überfliegen wir nur Wälder, Hügel und freie Schneeflächen.« Jonah Goldman nickte überzeugt. »Diese Karpaten sind so ausgestorben wie eine Geisterstadt!«
Matt sah ihn an, aus müden Augen. Seine Mundwinkel zuckten belustigt. »Das glauben Sie wirklich?«, fragte er gedehnt. Dann griff er über den Arm des jungen Mannes hinweg nach der Schaltkonsole. Matt kannte sich aus. Seine Finger fanden wie von selbst die richtige Tastenkombination, der Monitor flimmerte und das Bild wechselte in den Infrarotmodus.
Im nächsten Moment wurde aus dem gleichmäßig dahin ziehenden Grün ein Gewimmel aus gelb-orange leuchtenden Formen aller Art und Größe. Hier und da krümmte sich eine unter dem Stoß einer anderen, zappelte kurz und erschlaffte dann. Matt richtete sich auf.
»Jagdzeit«, sagte er kühl. »Da unten tobt ein Krieg, Goldman!«
Der Commander stutzte. Sein Blick hatte sich am unteren Bildrand verfangen. Dort bewegte sich ein heller Fleck, der im Gegensatz zu allen anderen nicht fließend aus dem Fokus der Bordkamera verschwand. Es musste ein ziemlich großes Tier sein, schlank und lang gestreckt, und es konnte offenbar sehr schnell laufen. Nur allmählich blieb es hinter dem EWAT zurück. Matt wandte sich ab. Was immer der unbekannte Jäger da unten verfolgte – es würde ihm wohl nicht entkommen.
Goldman räusperte sich. »Hören Sie, Commander: Ob wir Sie hier irgendwo absetzen oder Sie direkt zum Schloss fliegen, das macht doch für uns keinen Unterschied. Aber diese Viecher da draußen, die raue Landschaft, die Kälte… Ich meine, das sind ernst zu nehmende Hindernisse! Sie könnten Ihre Zielperson viel schneller und bequemer erreichen, wenn Sie an Bord blieben. Ein Wort genügt, und wir ändern den Flugplan.«
»Nein!« Matt schüttelte unerwartet heftig den Kopf. »Sie landen wie befohlen an den vereinbarten Koordinaten, unauffällig, ohne Licht, und kehren dann sofort nach Beelinn zurück!«
»Aber warum wollen Sie einen solchen Gewaltmarsch auf sich nehmen, Sir?«, beharrte der Navigator – und Matt sagte es ihm. »Weil die Zielperson meine Tochter ist, Goldman, und jeder Fehler ihren Tod bedeuten könnte. Darum.«
Matt entging der strafende Blick des Piloten auf Jonah Goldman, denn er war schon dabei, die Kommandozentrale zu verlassen.
Als er das Ruhesegment des EWATs betrat, unterbrach Jenny Jensen ihre endlose Wanderung von Schott zu Schott.
Sie hatte geweint, das konnte man deutlich sehen. Im Vorbeigehen drückte Matt ihr tröstend den Arm.
»Wir schaffen das schon«, sagte er leise.
Matt ließ sich auf eine Pritsche sinken,
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