1365 - Belials Lügenwelt
aufhielt und in die Ferne schaute.
Bruce Everett saß bewegungslos. Aber er dachte nach. Sein Gesichtsausdruck wies darauf hin. Die Augenbrauen waren zusammengezogen. So wie er sah jemand aus, der über etwas nachgrübelte und zu keinem Ergebnis gekommen ist.
Jane Collins hätte gern gewusst, worüber der Junge nachdachte, doch Purdy hatte ihr geraten, ihn nicht zu fragen. So warteten sie ab, ob er mit seinen Überlegungen überhaupt zu einem Ergebnis kommen würde.
Im großen Wohnzimmer herrschte eine besondere Atmosphäre. Es sah nicht danach aus, als gebe es in den nächsten Sekunden einen gewaltsamen Eingriff, doch die drei merkten, dass etwas in der Luft lag, besonders Bruce Everett, und genau das erhöhte die Spannung.
Sein stilles Sitzen glich einer Farce. Seine Haltung sah völlig unnatürlich aus, und keine der Frauen hätte sich darüber gewundert, wenn er plötzlich aufgesprungen wäre und durchgedreht hätte.
Er tat es nicht.
Bruce verfiel in eine dumpfe Grübelei. Hin und wieder war von ihm ein Räuspern zu hören, und dann dachten die Frauen, dass er etwas sagen würde, aber er hielt sich zurück.
»Ich sage Ihnen, Jane, dass er Kontakt hat.«
»Das glaube ich auch.« Die Detektivin nickte. Dann lächelte sie Purdy an und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich denke, dass wir in einem Boot sitzen und schlage deshalb vor, dass wir uns duzen.«
»Super. Ich bin Purdy.« Sie schlug ein.
»Und ich heiße Jane.«
»Alles klar.«
Das Gespräch der beiden war von Bruce gehört worden. Er blickte aus seiner sitzenden Haltung hoch und schien sie leicht ärgerlich anzuschauen, weil er über die Störung nicht eben erfreut war. Einen Kommentar gab er nicht ab. Er senkte wieder den Kopf und gab sich seinen Gedanken hin.
»Was wird passieren?«, sprach Jane mehr zu sich selbst. Sie gab sich auch eine Antwort. »Wenn ich sage, dass ich mich hilflos fühle, nimmst du mir das dann ab?«
»Auf jeden Fall. Das Gefühl kenne ich. Ich weiß, dass etwas passiert, aber es läuft in einer Welt ab, in die wir nicht hineinblicken können, in der sich aber John und Suko befinden. Der einzige Kontakt zu dieser Welt ist Bruce.«
»Der leider nicht redet.«
Purdy sah auf seinen Kopf. »Ich kann es nicht ändern, Jane. Und du wirst es auch nicht schaffen, ihn zum Reden zu bringen. Das ist wie bei einem Autisten, der sagt auch nichts und ist in seiner eigenen Welt völlig verschlossen. Und wenn du ihn anspricht, wird er dir auch nicht viel erzählen können.«
»Leider.«
»Bruce bestimmt, wenn er etwas sagt.«
Der Junge hatte seinen Namen gehört. Er hob den Kopf an und gab eine Antwort. Allerdings zu einem anderen Thema, denn er sprach leise davon, dass er Durst hatte.
»Ich hole dir was«, sagte Purdy. Sie beugte sich zu ihm herab. »Hast du auch Hunger?«
»Kaum.«
»Kekse?«
Da lächelte Bruce. »Ja, gerne.«
»Das wusste ich doch.« Purdy nickte Jane Collins zu. »Ich bin gleich wieder zurück.«
Justine Cavallo hielt sich noch immer auf dem Balkon auf, worüber Jane nicht eben traurig war. Es war ihr lieber, wenn sie mit Purdy Prentiss allein war. Zudem war die blonde Bestie eine perfekte Wächterin. Wenn sich etwas tat, dann würde sie eingreifen oder zumindest eine Warnung aussprechen. So unterschiedlich die Frauen auch waren, das Schicksal hatte sie gemeinsam in ein Boot gesetzt, und jetzt blieb ihnen nichts anderes übrig, als gemeinsam zu rudern.
Es gefiel ihr nicht, dass Bruce Everett so stumm war. Außerdem dachte sie an ihre Freunde und ging davon aus, dass der Junge Kontakt zu ihnen hatte, was sie sich gewünscht hätte.
Noch war Purdy nicht zurück, und so versuchte Jane es zumindest. Sie tippte Bruce auf die Schulter, der diese Berührung hinnahm, ohne zu reagieren.
»Kannst du mich denn hören?«, fragte sie leise.
»Was willst du?«
»Antworten.«
»Ich weiß keine.«
»Wir könnten es trotzdem versuchen.«
Der Junge breitete die Arme aus und brachte sie wieder zusammen. Es war ein leises Klatschen zu hören, nicht mehr.
Jane ließ nicht locker. »Kannst du mir nicht sagen, mit wem du Kontakt hast?«
»Ich habe nichts.«
»An was denkst du denn?«
Er nahm sich Zeit, bevor er die Antwort gab. »Ich… ich … denke«, flüsterte er, »an nichts. Ja, ich denke an nichts, ich möchte auch nicht mehr denken. Es ist alles so schwer geworden. Ich brauche nicht zu denken.«
»Jeder denkt.«
»Ich nicht.«
»Wird für dich gedacht?«
»Kann sein. Mein Kopf ist zu. Da gibt es eine
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