1365 - Belials Lügenwelt
Sperre. Ja, das weiß ich genau.«
»Kannst du sie aufheben?«
»Nein, das kann ich nicht.« Seine Stimme klang ärgerlich.
Jane war nicht taub, und so ließ sie den Jungen in Ruhe. Wenn der Kontakt intensiver wurde, würde er sich melden. Davon ging sie einfach aus. Und wenn es nur durch seine Zeichnungen war, die mehr über das Schicksal ihrer beiden Freunde erzählten.
Noch schaute Jane Collins nur auf die eine Zeichnung. Bruce hatte in den letzten Minuten nichts daran verändert. Wahrscheinlich war auch nichts mehr passiert. Da man ihm keine neuen Bilder geschickt hatte, war die Lage für John und Suko gleich geblieben.
Ein flüchtiger Gedanke galt der Partnerin des Inspektors. Jane fragte sich, ob Shao über die Vorgänge informiert war. Da konnte ihr Purdy sicherlich eine Auskunft geben. Soeben kehrte sie aus der Küche zurück und hatte die Kekse mitgebracht. Ein Glas für Jane Collins brachte sie ebenfalls mit.
Sie stellte beides ab. Ihr Lächeln wirkte kantig und verkrampft.
»Er hat nicht mit mir gesprochen«, erklärte Jane. »Schade, ich hätte gern mehr erfahren.«
Purdy mischte Wasser und Saft. »Das kann ich mir denken. Er will es nicht, denn er ist noch nicht wieder okay. Sein eigener Wille wurde zurückgedrängt. Der Lügenengel hat ihn in seinen Bann geschlagen, und ich weiß nicht, wie ich Bruce daraus befreien soll. Schau ihn doch an. Er sitzt im Sessel wie ein Läufer, der auf den Startschuss wartet. Urplötzlich kann er ganz anders reagieren. Das habe ich auch erlebt. Ich selbst kann es kaum fassen und mich nicht in ihn hineindenken. Wir müssen nur wachsam sein. Ihn dürfen wir nicht stören. Wenn es so weit ist, wird er uns seine Botschaft vermitteln.«
»Okay. Aber Freude macht es nicht.«
»Wem sagst du das?«
Bruce Everett lächelte, als er nach seinem Getränk griff. Er trank das Glas beinahe leer, nur änderte sich nichts an seinem Zustand.
Nach wie vor blieb er stumm.
Jetzt, wo er nicht mehr trank, war sein Blick auf die letzte Zeichnung gerichtet. Er kontrollierte sie sehr genau.
»Was tut er?«, flüsterte Jane, die sich ebenfalls etwas eingeschenkt hatte und trank.
»Er konzentriert sich.«
»Auf eine Botschaft?«
»Hoffentlich, Jane. Das würde uns weiterbringen.«
Die Frauen konnten sich nicht mehr auf Bruce konzentrieren, denn auf dem Balkon hatte sich ist die Cavallo umgedreht und kehrte in das Zimmer zurück. Sie hatte dort ihren Auftritt. Sie kam sich vor wie eine Diva, denn sie ging nicht, sie schritt dahin. Um ihren Mund herum lag ein Lächeln, dass ihr keiner abkaufte.
Bruce, der sich bisher nicht um sie gekümmert hatte, löste sich aus seiner starren Haltung und hob den Kopf. Er schaute der blonden Bestie entgegen, er musterte ihr Gesicht, weil er anscheinend etwas herausfinden wollte, was auch passierte, denn plötzlich veränderte sich seine Haltung. Er sank in sich selbst zusammen, schlug dann die Hände vors Gesicht und fing an zu jammern. Er drehte sich zur Seite und wollte auf keinen Fall die Blutsaugerin sehen.
Die Cavallo blieb stehen. Spöttisch bemerkte sie: »Ich glaube, er hat Angst vor mir.«
»Ist das ein Wunder?«, fragte Jane.
Justine versuchte, unschuldig zu schauen. »Moment, ich habe nichts getan.«
»Das weiß ich. Und trotzdem kann man bei deinem Anblick Angst bekommen, denn du bist jemand, der kein Gefühl hat und auch keines kennt. Genau das merken die Menschen. Da brauchen sie nicht mal besonders sensitiv veranlagt zu sein.«
»Das ist nicht mein Problem.« Justine deutete über ihre Schulter zurück. »Dort hat sich nichts getan. Die andere Seite scheint feige zu sein.«
»Das ist sie nicht!«, widersprach Purdy. »Sie wird noch früh genug eingreifen.«
»Das hoffe ich auch«, sagte Justine, bevor sie sich neben Bruce setzte.
»Lassen Sie den Jungen in Ruhe!«, fuhr Purdy sie an.
»Hör auf damit!«
Das tat Purdy Prentiss nicht, denn sie fühlte sich für Bruce verantwortlich. Schließlich war er zu ihr gekommen und hatte sie um Hilfe gebeten. Das hatte sie nicht vergessen, und deshalb würde sie ihre Zeichen setzen. Außerdem war es ihre Wohnung, und sie bestimmte, wie sich die Gäste zu verhalten hatten. Hinzu kam, dass sie die Blutsaugerin nicht eingeladen hatte.
Deshalb legte sie eine Hand auf Justines Schulter, um sie in die Höhe zu ziehen.
Genau das war ein Fehler. Justine ließ nicht mit sich machen, was andere wollten. Mit einigen heftigen Bewegungen schüttelte sie die Hand ab und zischte eine
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