Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
glänzende Ding.
    »Für heute wird’s wohl so sein!«, sagte Will Shag. »Aber das Glück von heute ist morgen nichts mehr wert.«
    »Ach, lasst mich doch in Ruhe mit Euren weisen Sprüchen, Master Shag! Wartet ab, bis wir in Landän sind, und ich mir alles kaufe, was gut und teuer ist. Hübsche Frauen, guten Schnaps und frische Wäsche. Gibt es dort nicht alles in Überfluss, Master Rulfan?« Er blickte zum Albino, heischte um Zustimmung.
    »Es gibt vieles dort«, entgegnete Rulfan vorsichtig. »Aber möglicherweise nicht das, was du suchst…«
    Er wandte sich ab, hatte kein Ohr für das Gezanke, das hauptsächlich unter den jüngeren Mitgliedern der Schauspieltruppe ausbrach. Vielmehr interessierten ihn Mutter Wendell und die anderen Vermummten. Noch standen sie an Ort und Stelle, wie gebannt, als ließen sie die Erzählungen und das Schauspiel in sich nachwirken.
    Dann, endlich, setzte sich die alte Frau in Bewegung, auf Will Shag zu, der ihr zur Hälfte des Weges entgegen kam.
    Hoch konzentriert lauschte Rulfan der leise geführten Unterhaltung, während er sich den Anschein gab, dem Streit zwischen Dig Cowley und mehreren Statisten zu folgen.
    »Seid Ihr zufrieden?«, fragte der Dichter soeben.
    »Ja, das bin ich, ich, ich«, antwortete Mutter Wendell.
    »Dann ist unsere Abmachung ein weiteres Jahr gültig?«
    »So ist es, mein Sohn, Sohn, Sohn. Du hast uns reich beschenkt mit den Früchten deiner Fantasie. Unser Schutz gilt dir und denen, die mit dir reisen, reisen, reisen. Aber nehmt Euch vor dem Einen in Acht…«
    »Ihr meint sicherlich Master Rulfan?« Mit einem Kopfzucken deutete Will Shag in seine Richtung. »Keine Sorge; er mag eine verlorene Seele in dieser Welt sein, doch er ist stark. Er wird den Weg zurück bald finden.«
    »Rulfan? So ist sein Name? Sonderbar…«
    Die Kapuze bewegte sich zu ihm herüber. Heimlich, aus den Augenwinkeln betrachtet, bemerkte der Albino eine lange schmale Nase, die jugendlich wirkte und keinesfalls zur zittrigen Stimme passte.
    »Dieser… Rulfan – er ist noch nicht wieder Eins. Es fehlt ihm ein wichtiges Element…«
    Sprach sie ihn direkt an? Wusste sie, dass er ihrem Zwiegespräch mit Will Shag lauschte?
    »Doch ich meinte nicht ihn, ihn, ihn«, fuhr die Alte nach langem Schweigen fort. »Es gibt jemanden unter euch, der die Dinge so sieht, wie sie sind, und nicht so, wie man sie sehen sollte.«
    »Mit Verlaub – das verstehe ich nicht.« Shag kratzte sich ratlos an der hohen Stirn.
    »Das sollst du auch nicht, mein Sohn. Es reicht, wenn du Rulfan ins Vertrauen ziehst, ziehst, ziehst. Er ist mit jener Art von Verstand ausgestattet, die die Lüge dort erkennt, wo sie der Bösartigkeit und nicht, wie bei euch und bei uns, dem Schauspiel dient.«
    Will Shag lachte nervös. »Mutter Wendell – Ihr gebt immer gute und vernünftige Ratschläge. Aber Ihr versteht es ebenso, diese in rätselhafte Andeutungen zu verpacken, die einen einfachen Verstand wie den meinen zu verwirren drohen.«
    »Master Shag – du sprichst tatsächlich schon wie eine deiner erdachten Figuren.« Die Alte lachte meckernd. »Doch heute ist es nicht wichtig, dass du mich verstehst. Rulfan ist der Mann, auf den es ankommt, kommt, kommt. Sag ihm, dass…«
    Mutter Wendell redete mit einem Male leiser, flüsterte Will Shag ein paar Worte ins Ohr. Und nach wie vor hatte Rulfan das Gefühl, als wisse die Alte, dass er ihnen zuhörte. Warum sagte sie ihm nicht alles direkt ins Gesicht? Was spielte die Frau, was spielten die Verhüllten für eine Rolle?
    »So sei es«, meinte Will Shag soeben. »Ich werde mich darum kümmern.« Der Primmentor räusperte sich und wechselte dann das Thema. »Ich nehme an, Ihr werdet Euch nunmehr zurückziehen?«
    »So ist es, es, es.« Die Frau drehte sich halb zur Seite.
    »Bruder Mond senkt sich bereits, und wir haben noch viel zu tun in dieser Nacht. Die Rituale sind schwer und bedürfen einiger Anstrengungen. Wenn du uns nun entschuldigst…«
    Will Shag deutete eine galante Verbeugung an. »Wir treffen uns genau in einem Jahr wieder, Mutter Wendell. Hier, an dieser Stelle. Und ich hoffe Euch erneut überraschen zu können.«
    »Das wirst du zweifelsohne, mein Sohn. Zweifelsohne.«
    Eine Hand, zart und blass, fast durchsichtig, schlängelte sich grazil aus dem Kuttenüberwurf. Die Frau mit der alten Stimme und dem jungen Körper streichelte Will Shag fast zärtlich über die Wange. »Was wäre die Welt bloß ohne dich, dich, dich«, sagte sie voll Gefühl. »Ein

Weitere Kostenlose Bücher