137 - Fluch der Seelenwanderer
ging alles so schnell, daß er nicht mehr registrierte, wie sich die Dinge im
einzelnen abspielten.
Plötzlich fühlte er keinen Halt mehr. Seine
Finger fuhren über den Stoffbezug, schlitzten ihn förmlich auf. Mit ungeheurer
Gewalt wurde er aus dem sich überschlagenden Taxi herausgestoßen. Noch ehe er
aufschlug, kam auch das außer Kontrolle geratene Fahrzeug zur Ruhe.
Schrecklich verbeult und alle vier Türen
aufgerissen, blieb das Fahrzeug auf dem Dach liegen. Die Räder trieben sich
noch immer in wildem Tempo.
Von all dem bekam Larry Brent alias X- RAY-3
nichts mehr mit. Wie ein Stein schlug er auf den Boden. Mit quietschenden
Reifen kam gerade noch ein schwerer Lastwagen unmittelbar vor ihm zum Stehen.
Larry blieb, mit dem Gesicht zum Boden, genau vor den gewaltigen Rädern liegen.
Sein Körper wurde schlaff. Jegliches Leben
schien aus ihm zu weichen.
Der PSA-Agent sah, hörte und spürte nichts
mehr...
*
»Hallo, Towarischtsch !« sagte eine vertraute Stimme. Er nahm sie wie aus dicker Watte wahr. »Ich hab’
doch gewußt, daß dich so leicht nichts umbringt. Vor Überraschungen ist man bei
dir allerdings nie sicher. Da glaubt man nach erfolgreicher Arbeit mit dir
einen anständigen Whisky trinken zu können - und was kommt dabei heraus? Ein
Besuch im Krankenhaus, wo’s nach Karbol und Desinfektionsmitteln riecht.«
Larry Brent bewegte die trockenen Lippen. Er fühlte
sich benommen und schwach, und in seinem Kopf summte es, als ob ein ganzer
Bienenschwarm sich dort verirrt hätte. »Hier riecht’s so scharf und penetrant.
Ich glaub’, ich bin in der Hölle. Es war immer meine heimliche Furcht gewesen -
daß ich dort auch dich treffen würde ...«
»Ich kann dich beruhigen, Towarischtsch. Du
hegst im Krankenhaus, und es geht dir gut. Du hast ’nen kleinen Schlag auf den
Kopf bekommen, deshalb redest du so unkariert daher. Noch ein paar Minuten -
wie ich deine Natur kenne - und du wirst wieder ganz
normal sein. Ich hab’ mit dem diensttuenden Arzt gesprochen. Er ist sehr
zufrieden mit dem Untersuchungsergebnis. Außer ein paar Kratzern, blauen
Flecken und einer winzigen Gehirnerschütterung hast du die Sache mal wieder mit
Bravour überstanden .«
Larry Brent öffnete die Augen. »Du hast so
einen wattigen Rauschebart, Brüderchen. So hab’ ich den ja noch nie gesehen.
Was du mir da erzählst, scheint wohl nicht ganz zu stimmen .«
»Es sind wattige Rauscheschleier, die noch
vor deinen Augen sind. Bis dein Blick sich klärt, werden wohl noch ein paar
Minuten vergehen. Wenn man aus einer Ohnmacht erwacht - das muß du dir sagen
lassen -, dann schaut man die Welt in den ersten Sekunden noch mit anderen
Augen. Und es hat nicht jeder das Glück, daß ich mich dann über ihn beuge und
er mein fröhliches Gesicht sieht. Meine Augen strahlen, und ich lächle - ich
mach’ mir Sorgen um dich wie eine Mutter .«
Larry deutete ein Nicken an. »Hallo, Ma’ !« krähte er. »Da bin ich wieder. Wie ich dich kenne, hast
du bestimmt eine schöne Geschichte für mich parat .«
Iwan Kunaritschew fuhr sich durch den Bart.
»Ich bin noch mal in den >Black Cat Club< gefahren, um mich zu wundem,
weshalb du dich nach dem Vorfall in Nanettes Appartement nicht hast sehen
lassen ...« Kurz berichtete X-RAY-3 von dem, was sich in der Zwischenzeit
ereignet hatte. Unmittelbar nach seiner Ankunft im Club mit Hauptkommissar
Kortner, war der Taxiunfall bekannt geworden. Einer der Fahrgäste war Larry
Brent gewesen. Iwan hatte sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus gemacht. Er
war froh zu sehen, daß sein Freund, im wahrsten Sinn des Wortes noch mal mit
einem blauen Auge davongekommen war.
Kunaritschew informierte Larry auch darüber,
wie er plötzlich auf den Gedanken kam, daß an diesem Abend irgendetwas mit
Nanette geschehen würde. »Ausschlag gab das merkwürdige Verhalten einer Frau,
die scheinbar sinnlos durch die Stadt geirrt ist. Ihr Name war Dorothea
Witulla. Sie hat immer etwas von einer blonden Frau mit wunderschönen, blauen
Augen gesprochen und davon, daß diese Frau in ihrem Blut hegen würde... Und sie
hat etwas von einem grünen Abfalleimer gesagt. Das ganze gab - auf den ersten
Blick - scheinbar überhaupt keinen Sinn. Doch dann kam das Geschehen mit der
Taxifahrerin dazwischen ...«
X-RAY-3 hatte nun die Augen vollends
geöffnet. Sein Blick war klar. Er spürte, wie die alte, gewohnte Kraft wieder
in seine Glieder zurückkehrte. Er wollte sich aufrichten. Dies allerdings
gelang ihm nicht auf
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