1371 - Das Erbe der Toten
linken steckte ein Pfeil. Ich sah das gemalte Blut, das aus der Wunde getreten war, und die Finger einer rechten Hand, die den Pfeil umschlossen.
Der zweite Pfeil steckte in der rechten Schulter. Er hatte den Stoff des Umhangs getroffen und dort keine Blutspuren hinterlassen.
Ob sich die Person irgendwo anlehnte, war nicht zu erkennen. Jedenfalls war ihr Kopf nach links gedreht und leicht zurückgedrückt.
Auf dem Kopf trug die Frau eine Kappe. Sie machte das Gesicht schmaler. Die Augen waren geschlossen. Nur der Mund stand offen.
Im Hintergrund war so etwas wie ein Sonnenuntergang oder -aufgang zu sehen. Jedenfalls zeigte ein Teil des Himmels eine blutrote Farbe, vermischt mit einigen Gelbtönen. Die Farben leuchteten durch die offenen Bogenfenster einer Mauer.
Ich wusste nicht, wer die Frau war und wo dieses Bild gemalt worden war. Sie musste wohl eine wichtige Persönlichkeit sein, sonst wäre sie nicht auf einem Bild verewigt worden.
Das Bild stand in einem Versteck, das zu einer Templer-Kirche gehörte. Man brauchte nicht groß nachzudenken, um auf den Gedanken zu kommen, dass die Frau mit den Templern in Zusammenhang stand.
Es lag noch nicht zu lange zurück, da hatte ich es mit einer Templerin zu tun gehabt. Die Spur hatte mich in die Vergangenheit geführt, und ich war davon ausgegangen, dass es sich bei der damaligen Templerin um einen Einzelfall gehandelt hatte.
Oder doch nicht?
War diese mir unbekannte Frau ebenfalls jemand, der zu den Templern gehörte oder gehört hatte? War sie deshalb durch die beiden Pfeile umgebracht worden?
Es war mir nicht möglich, diese Fragen zu beantworten. Aber ich kannte jemanden, der das unter Umständen konnte. Mike Curtiz hatte sich mit den Templern beschäftigt. Möglicherweise sagte ihm das Bild etwas. Unter Umständen war es sogar der Hinweis auf den geheimnisvollen Templer-Schatz, der hier angeblich versteckt lag, woran ich mittlerweile nicht mehr glaubte.
Das Bild hatte ich sehr schnell gefunden. Jetzt wollte ich mich nur noch umschauen, ob es weitere Dinge gab, die es zu entdecken galt und die mich weiterbrachten.
Groß und hoch war der Raum nicht. Die Decke lag nicht mal eine Handbreite über mir. Ich ließ mir Zeit, die Wände anzuleuchten und wunderte mich darüber, dass sich Mike Curtiz noch nicht gemeldet hatte.
Nachdem ich keine weitere Türen und auch keinen fremden Gegenstand in diesem Verlies entdeckt hatte, leuchtete ich in die Höhe.
Alle Seiten waren leer.
Und plötzlich überkam mich ein verdammt ungutes Gefühl.
***
Ein goldener Dolch!
Mike Curtiz sah ihn. Er glaubte, in einer verkehrten Welt zu stehen, doch was er sah, entsprach den Tatsachen. Für ihn war es grauenvolle Realität. Er hatte den Wunsch, um Hilfe zu schreien, aber kein Laut drang aus seiner Kehle. Sie war wie zugeschnürt, und sein Herz schlug rasend schnell.
Den Dolch hatte der unbekannte Vermummte bestimmt nicht zum Spaß gezogen. Wenn die Waffe tatsächlich aus Gold bestand, dann war sie auch wertvoll, aber sie würde nicht verkauft, sondern zu einem anderen Zweck benutzt werden.
Zum Töten!
Der Gedanke schoss in ihm hoch. Obwohl sich Mike Curtiz während seines relativ jungen Lebens auch mit dem Tod beschäftigt hatte, wollte er von diesen Gedanken nichts mehr wissen, als er dem Tod unmittelbar gegenüberstand.
Der andere brauchte nur einen Schritt nach vorn zu gehen und zuzustoßen, dann war es um ihn geschehen. Ein schnelles Ausweichen würde ihm nicht mehr gelingen.
Obwohl seine Kehle trocken wie ein Wüstenloch war, gelang es ihm doch, etwas zu sagen. Krächzend brachte er die Frage hervor.
»Wer… wer … sind Sie?«
Hinter der leicht golden schimmernden Maske vernahm er eine Reaktion. Sie hörte sich an wie ein leises Lachen. Erst dann folgten Worte, die Mike nur mit Mühe verstand.
»Du hast dich zu weit vorgewagt. Es ist nicht dein Gebiet. Es darf nicht dein Gebiet sein. Es gehört uns, verstehst du? Uns allein!«
»Euch?«
»Ja.«
»Wer seid ihr?«
»Das weißt du. Wir sind die neue alte Kraft. Uns gibt es noch. Uns hat es immer gegeben.«
»Illuminati?« Mike Curtiz brachte das Wort kaum über die Lippen. Sein Gegenüber hatte es trotzdem verstanden, aber er gab keine Antwort und blieb neutral.
Für Mike Curtiz stand fest, dass es nur so sein konnte. Er musste zugeben, dass er sich auf der richtigen Spur befand, aber was brachte ihm das? Nichts, gar nichts, was der Aufklärung gedient hätte.
Jetzt, wo es hätte weitergehen können, war
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