1371 - Das Erbe der Toten
sein Weg zu Ende. Er glaubte nicht, dass dieser Maskierte ihn laufen lassen würde.
Er bereute seinen Fehler zutiefst. Er hätte vor der Luke stehen bleiben sollen. Diese Chance war jetzt vertan. Wenn er sich umdrehte und wieder zum Ausgangspunkt zurücklief, würde ihm der Maskierte den Dolch in den Rücken rammen.
Mike Curtiz gab den Gedanken trotzdem nicht auf. Er wollte auf jeden Fall einen Versuch starten, und dabei musste er nur schnell genug sein.
»Nein!«, keuchte er und bereute im nächsten Moment diese Reaktion. Er hatte nicht anders gekonnt, wollte sich herumwerfen und wegrennen, als der Vermummte angriff.
Er war nicht mal besonders schnell. Zwei Schritte musste er nur laufen, dann hatte er die Distanz überwunden.
Seine rechte Hand mit der goldenen Dolchklinge zuckte nach vorn – und traf.
Etwas drang wie Feuer in den Körper des Mannes ein. Mike Curtiz erfasste im ersten Moment nicht, was mit ihm geschehen war, obwohl er sich darauf hatte vorbereiten können.
Er blieb stehen und schaute an sich herab.
Der Dolch steckte in seinem Körper. Glasklar sah er den Griff der Waffe, der aus einem hellen Material bestand, aber nicht aus Gold.
Die Klinge war nicht zu erkennen. Sie steckte tief in seinem Körper. Mike wunderte sich, dass er noch auf den Beinen stand. Er konnte sogar den Kopf bewegen und ihn anheben.
Der Blick erwischte die Maske. Noch immer wusste er nicht, wer sich dahinter verbarg, und der Täter traf auch keine Anstalten, sich zu demaskieren. Er hatte den Griff der Waffe losgelassen und die Arme gesenkt. So locker stand er vor Mike Curtiz und wartete darauf, dass etwas passierte.
Lange musste er nicht warten.
Curtiz röchelte, während er weiterhin auf das Messer stierte. Sein Mund stand offen, und plötzlich schob sich von innen her etwas Dunkles auf den Lippenspalt zu.
Es machte dort nicht Halt. Es wurde weiter nach vorn gedrückt und quoll nach außen.
Das Dunkle war Blut!
Und zugleich verschwamm das glatte Gesicht des Mörders vor den Augen des Bankers. Es löste sich auf, und auch die helle Farbe verschwand. Stattdessen nahm die Dunkelheit zu. Als zwei graue Wände schwebte sie von beiden Seiten heran. Sie tötete die Helligkeit, und in diesem Augenblick begriff Curtiz, dass ihn die Schatten des Todes erreicht hatten.
Er spürte sein Schwanken. Der Körper war plötzlich doppelt so schwer geworden. Gewichte schienen an ihm zu zerren. Er konnte sich nicht mehr halten.
Mit dem Messer im Körper fiel er nach vorn. Er bekam es nicht mehr mit und auch nicht, dass er von zwei Händen aufgefangen wurde. Eine Hand hielt ihn fest, die andere zog mit einer sehr langsamen Bewegung den goldenen Dolch aus seinem Körper.
Das war für ihn auch alles.
Er brauchte Mike Curtiz nicht mehr. Deshalb ließ er ihn fallen.
Der Körper schlug auf den dunklen Steinboden der Kirche, und der Mann mit der Maske war zufrieden.
Nichts konnte ihn mehr daran hindern, den Ort des Verbrechens zu verlassen.
Oder doch?
Der Vermummte wollte sich gerade umdrehen, als er ein Geräusch hörte, das ihm ganz und gar nicht gefiel.
Es war das Echo leiser Schritte, und sie bewegten sich in seine Richtung…
***
Das ungute Gefühl verschwand auch nicht, als ich die Arme in die Höhe streckte und den Rand der Luke umfasste, damit ich mich in die Höhe ziehen konnte.
Mike Curtiz war über seinen eigenen Schatten gesprungen, als er mich zu Hilfe geholt hatte. Er wollte mich warnen. Er wusste genau, dass Gefahr drohte. Er hatte sich nicht allein in die Templer-Kirche getraut, aber er konnte nicht sagen, welche Gefahr es war.
Ich stand wieder in diesem Anbau und tat zunächst nichts. Abgesehen davon, dass ich meine Blicke wandern ließ, aber das brachte auch nichts, denn es hatte sich äußerlich nichts verändert.
Nur fehlte Mike Curtiz!
Eine innere Stimme riet mir davon ab, seinen Namen zu rufen. Ich wusste mit einem Mal, dass er sich nicht melden würde, weil er es nicht konnte. Da musste ich mich schon auf mein Gefühl verlassen, was mich selten getrogen hatte.
Und so legte ich den Weg in die Kirche so leise wie möglich zurück. Ganz lautlos gelang es mir nicht. Auf dem harten Steinboden war immer ein Echo zu hören, was mich schon etwas ärgerte.
Ich schlich in die Kirche hinein und hütete mich, die Lampe einzuschalten. Ich wollte die Atmosphäre auf mich wirken lassen und bewegte nur den Kopf, um in möglichst viele Richtungen zu schauen.
Auch innerhalb der Kirche hatte sich nichts verändert. Nach
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