1375 - Wächterin der Toten
wie?«
»Hörst du was?«
»Nein«, gab sie zu.
»Eben.«
Johnny hatte den Wunsch, sie zu umarmen, und das tat er auch.
Sie ließ es geschehen, und der junge Conolly spürte ihr Zittern. Sie hatte sich noch immer nicht gefangen.
»Wäre es nicht besser, wenn du Vertrauen zu mir hast und mir alles erzählst, was du erlebt hast?«
»Kann sein.«
»Dann tu es bitte.«
Sie zögerte noch und wollte sicher gehen, dass Johnny auch nicht lachte. Deshalb drehte sie den Kopf und sah in sein Gesicht.
Er lachte nicht. Dafür nickte er. »Okay, Clara, dann fang mal an…«
***
Johnny wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als seine Freundin ihren Bericht beendet hatte, doch er hockte starr auf seinem Platz und hatte das Gefühl, neben sich zu sitzen. Im Kopf spürte er eine gewisse Dumpfheit. Jedes Wort hatte er verstanden, und es war auch in seinem Gedächtnis gespeichert, aber im Moment dachte er nicht an die Erlebnisse der Clara Lintock, sondern an etwas ganz anderes.
Das Schicksal der Conollys!
Anders konnte er es nicht interpretieren. Irgendwo war die Verbindung zu seinen Eltern, die ja auch immer wieder mit diesen Dingen konfrontiert wurden, und er sah in diesem Augenblick auf einer Bank unter einem Lindenbaum ein, dass man seinem Schicksal nicht entrinnen konnte. Es hatte hier zwar nicht zugeschlagen, aber es war auf dem Weg dorthin. Er hätte nie gedacht, dass so etwas möglich war, doch nun musste er passen. Der Fluch der Familie hatte auch ihn eingeholt, und das sogar im fernen Schottland.
Da lernte er ein Mädchen oder eine junge Frau kennen und musste erleben, dass er mit übersinnlichen Vorgängen in Berührung kam, falls das stimmte, was man ihm da erzählt hatte. Es gab keinen Grund, ihr nicht zu glauben, denn dann hätte Clara schon verdammt gut schauspielern müssen. Dazu war sie nicht der Typ.
»Da du nichts sagst, Johnny, nehme ich an, dass du nach innen lachst.«
»Ach. Wie kommst da darauf?«
»So eine Geschichte kann man nicht glauben.«
»Und wenn doch?«
Clara rückte von ihm weg. »Du willst doch damit nicht sagen, dass du mir glaubst?«
»Doch, dass will ich.«
Sie saßen nebeneinander und schauten sich an. Jeder versuchte im Gesicht des anderen zu lesen, ob er nun getäuscht wurde oder nicht.
Aber beide senken den Blick nicht, und so drang auch in Clara die Überzeugung durch, dass Johnny ihr Glauben schenkte.
Sie nahm seine Hände in die ihren. »Danke, dass du mich nicht ausgelacht hast.«
»Dazu hatte ich keinen Grund.«
»Ha, bei dem was ich dir erzählt habe?«
»Trotzdem.«
»Dann glaubst du mir?«
»Ja.«
»Und du glaubst auch an Geister?«
Das wollte Johnny so nicht bestätigen. Stattdessen sagte er: »Ich glaube nicht direkt an Geister, aber ich glaube an Dinge und weiß auch davon, die normalerweise von den Menschen nicht akzeptiert werden. Kannst du mit der Antwort leben?«
»Das weiß ich nicht. Sie ist noch zu weit von der eigentlichen Realität entfernt.«
»Sagen wir so. Geister gehören zu dem, an das ich glaube und über das ich auch Bescheid weiß.«
Clara begriff es nicht. Sie schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, ist mir das zu hoch. Kannst du mir das genauer erklären?«
Er lächelte etwas schief. »Das würde wahrscheinlich zu weit führen. Ehrlich.«
»Kannst du dich kurz fassen?«
»Fällt mir schwer.«
»Bitte, Johnny, versuche es.«
Er konnte diesem Blick nicht widerstehen. Abermals legte er seinen Arm um sie und drückte sie jetzt enger an sich. Es war natürlich schwer, seine Erlebnisse im Zeitraffer darzulegen, und er ging auch nicht auf Details ein, sondern sprach davon, was es alles gab und seinen Eltern und ihm schon widerfahren war.
Clara Lintock kam aus dem Staunen nicht heraus. Ihre Augen weiteten sich, und es war auch kaum möglich, dass sie ihren Mund schloss.
»Und das stimmt alles?«, flüsterte sie schließlich.
Johnny, der einen Schluck getrunken hatte, stellte sein Glas wieder weg. »Das schwöre ich.«
»Dann glaube ich dir auch.«
»Danke.«
Beide saßen stumm nebeneinander. Wer sie beobachtet hätte, der musste annehmen, es mit einem jungen Paar zu tun zu haben, das schwer verliebt war und sich nun Gedanken über die Zukunft machte. Aber dem war nicht so. Beide spürten, dass etwas unterwegs war, um auf sie zuzukommen, aber sie trauten sich noch nicht, darüber zu reden.
»Frag mich doch was, Johnny. Es hat keinen Sinn, wenn wir stumm zusammensitzen und unseren Gedanken nachhängen. Wenn wir reden, kommen
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