1377 - Es lauert im Dunklen
Vom Kinn ab bis hin zu den nicht sichtbaren Füßen schwang sie auseinander wie ein großes Stück Stoff, das in zwei Hälften geteilt wurde.
Dabei war nichts zu hören. Kein sanftes Gleiten, keine Rascheln, alles passierte lautlos, und ich bekam den Eindruck, als wäre der Oberkörper wirklich nur ein Hologramm und nicht zum Greifen.
Ich hätte vorgehen sollen, dafür war es jetzt zwar nicht zu spät, aber ich wollte mitbekommen, was noch alles passierte, weil ich nicht daran glaubte, dass die Verwandlung schon das Ende erreicht hatte.
Rotes Licht, abgegeben von einem roten Himmel, bekam ich zu sehen. Es hätte ein prächtiger Sonnenuntergang sein können, der wie von einem Maler geschaffen worden war.
Dazu ein flaches Land mit Erhebungen in der Ferne, die aussahen wie Bergrücken.
Ich war ziemlich perplex, das zu sehen, und konnte nur den Kopf schütteln. Im Hintergrund gloste die gelbliche Sonne, die sich allerdings in einen breiten Streifen gewandelt hatte.
Und vor diesem Hintergrund erschien eine Gestalt. Wieder ein Kuttenträger, dessen Gesicht allerdings nicht zu sehen war, weil er mir den Rücken zudrehte.
Er stand da, und er war bewaffnet. Er trug eine Sense, die bedrohlich über seinen Kopf hinwegragte.
Mich faszinierte das Bild nicht nur wegen des Motivs, ich ging einfach davon aus, dass es etwas zu bedeuten hatte. Man wollte mir etwas zeigen, und ich konnte mir die Erklärung suchen.
So weit kam es jedoch nicht.
Auch Cindy hatte das Bild gesehen, und sie wusste mehr, da sie an seiner Seite stand.
»Er lebt doppelt. Er zeigt sich uns in der jetzigen Zeit, aber auch in der Vergangenheit, wo er seine Zeichen gesetzt hatte. Er kam als Mönch mit der Sense. Er war Terrible Riordan, und jeder, der ihn in diesem Aufzug begegnete, wusste, was die Stunde geschlagen hatte.«
Ich ging etwas zurück, um mich nicht zu stark drehen zu müssen, wenn ich sie anschaute.
»Wieso als Mönch?«
»Es gab immer ein Kloster, das aufgegeben wurde. Das hat er besetzt und es dem Teufel geweiht. Hinter seinen Mauern hat er die Kinder geopfert. Ihre Schreie sind bis weit in das Land hineingeklungen und haben den Wahnsinn über die Menschen gebracht. Es hat lange gedauert, bis sie ihn fingen und in geschmolzenes heißes Blei steckten, so wie du ihn da siehst. Aber er kam zurück. Er ist mächtiger als der Tod, denn er lebt seit Urzeiten.«
»Nicht mehr lange«, erklärte ich.
»Du willst ihn vernichten? Den mächtigen Riordan, der die Hölle auf seiner Seite hat?«
»Ja, denn ich habe ebenfalls große Helfer. Es ist zwar nicht die Hölle, aber der Himmel ist immer noch stärker.«
»Nie!«
»Ich werde es dir beweisen!«
Cindy schaute mich an. Sie war unsicher geworden. So hatte noch nie jemand mit ihr gesprochen. Aber ich verließ mich auf mein Kreuz. Bisher hatte es noch keine Kreatur der Finsternis geschafft, ihm zu widerstehen.
Ich holte es sehr langsam aus meiner Tasche hervor. Ich wollte nicht, dass dieses Bild, das man mir zeigte, plötzlich ein Eigenleben entwickelte.
Cindy schaute mir zu, was ich tat. Das Kreuz sah sie nicht und auch nicht, als ich es aus der Tasche geholt hatte. Ich würde nicht lange zögern und mit dem Kreuz in der Hand auf die Gestalt zugehen, die eventuell auch der Zugang zu einer anderen Zeit darstellte.
Es kam anders.
Der »Vorhang« hatte sich langsam geöffnet. Aber er schloss sich nicht mit dieser Geschwindigkeit, sondern es ging sehr schnell vonstatten. Für mich sah es aus, als würde sich das Bild zurückziehen und zugleich auflösen.
Jetzt gab es nur noch die Schwärze und das Gesicht mit den grünlichen Augen.
Der Blick in die Vergangenheit hatte mir gereicht. Für mich war allein die Gegenwart wichtig, und deshalb wollte ich ihn haben. Er war gekommen, er besaß einen Kopf, und ich ging davon aus, dass er auch einen Leib besitzen musste.
Die Entfernung zwischen uns war schlecht zu schätzen. Sein Körper war mit der Wand verschmolzen, und so sah ich praktisch nur sein Gesicht, das sich auch jetzt nicht verändert hatte und für mich immer noch wie aus Stein gehauen wirkte.
War er wirklich so groß?
Im Moment schon. Ich ging sogar davon aus, dass er keinen Körper aus Fleisch und Blut besaß, im Gegensatz zu seinem Gesicht.
Und erst jetzt holte ich das Kreuz hervor. Es spürte das Böse genau, das sich hier verbarg. Ohne dass ich es aktiviert hatte, fing es an zu strahlen, aber es gab natürlich nicht das Licht ab, dass ich kannte.
Und doch wurde es gesehen.
Zum
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