138 - Nostradamus - Gericht im Jenseits
Wie
hätte es auch anders sein können?
Er ärgerte sich über seine Müdigkeit.
Madame spreizte die Arme. Die schwebende
Kugel wurde milchig, stieg langsam und lautlos vor ihr empor und verschwand
irgendwo im Dunkel der Decke, das vom Licht der Öllampe nicht erreicht wurde.
Gleichzeitig verschwand auch der
Lichtbogen, der sich von der Feuerschale bis zu der Kugel gespannt hatte.
Die schöne Seherin musterte de Garche
nachdenklich.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann
achselzuckend. »Es ist mir peinlich. Ich glaube, ich bin in den letzten Minuten
- eingeschlafen.«
Madame erhob sich. »Die Luft ist stickig,
ich weiß. Da kann es leicht passieren, daß man einnickt. Aber dennoch ist Ihnen
nichts entgangen.«
Sie löschte auf eine ganze eigenwillige
Weise das Öllicht, hielt einfach die flache Hand über die Schale, und de Garche
konnte deutlich sehen, daß die Flamme darunter erstickte.
Gemeinsam gingen sie in den Salon.
Seine Gastgeberin lud ihn noch zu einem
Glas Wein ein.
Madame Kuruque war förmlich aufgeblüht.
Sie lächelte, sprach mit sanfter, charmanter Stimme - und er hätte die Frau am
Tisch am liebsten umarmt.
»Ich werde tun, was Sie mir empfehlen.
Meinen Geschäftsfreunden und Beratern darf ich davon kein einziges Wort sagen.
Die werden mich für verrückt halten, wenn ich anfange Aktien zu kaufen, die ich
ursprünglich abstoßen wollte.«
»Tun Sie es! Und Sie werden sehen, daß ich
Ihnen die Wahrheit gesagt und gezeigt habe.«
De Garche nagte an seiner Unterlippe. »Da
ist noch eine Sache, Madame ...«
»Ja, bitte?«
»Ich wollte eigentlich noch mehr wissen.
Meine Gesundheit, zum Beispiel . was wissen Sie über meinen Todestag?«
»Alles, Monsieur. Aber der interessiert
Sie in Wirklichkeit gar nicht, weil er in allzu großer Ferne liegt.«
»Demnach kann ich aus Ihren Worten
schließen, daß ich sehr alt werde?«
Die Angesprochene nickte nur.
De Garche warf einen Blick auf seine Uhr.
Er war erstaunt festzustellen, daß er sich schon seit über zwei Stunden hier
aufhielt. Dabei kam es ihm vor, als hätte er das Haus erst vor wenigen Minuten
betreten.
Irgend etwas stimmte mit seinem Zeitgefühl
nicht.
Madame begleitete ihn zur Tür. »Ich hoffe,
der Aufenthalt hat sich für Sie gelohnt«, sagte sie freundlich. »Denken Sie
über alles nach! Ich habe Ihnen als Wegweiser die Richtung gezeigt. Alles
andere liegt bei Ihnen. Ein Wegweiser kann niemals mitgehen. Denken Sie immer
daran .«
Sie standen am Fuß der Treppe. »Was bin
ich Ihnen schuldig?«
»Nichts selbstverständlich.«
»Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert.«
»Es war für mich keine Arbeit. Es war mir
ein Vergnügen! Ich unterhalte mich gern mit jenen, die vor uns waren.«
So ließ sich der Fabrikant nicht
abwimmeln. »Wenn Sie nichts ahnen, dann lasse ich ihnen einfach etwas zurück.
Machen Sie damit, was Sie wollen!«
Mit diesen Worten legte er fünf
Hundert-Francs-Scheine auf den Tisch.
»Vielen Dank, Monsieur«, Madame lächelte
charmant. »Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen. Sie werden verstehen, daß
ich einen Betrag in dieser Höhe nicht annehmen kann. Ich werde einen Teil davon
für wohltätige Zwecke weitergeben. Das liegt sicher auch in Ihrem Interesse.«
»Das bestimmen Sie und nicht ich.« De
Garche lachte. »Und wenn das stimmt - das mit dem Geldsegen nach der
Aktienspekulation, dann kriegen Sie von mir zehn Prozent.«
Mahnend hob sie den Finger. »Machen Sie
keine so großen Versprechungen, de Garche! Das könnte Sie teuer zu stehen
kommen. Zehn Prozent von zwanzig Millionen - sind zwei Millionen für mich.«
Da klappten dem Franzosen die Mundwinkeln
herab. »Zwanzig Millionen?« wiederholte er stockend, als hätte er sich verhört.
Die schöne, junge Frau lächelte nur.
Vom Fenster des großen Speisezimmers, das
zum Innenhof zeigte, blickte sie dem Gast nach, wie er mit dem Wagen davonfuhr.
Das rätselhafte Lächeln um ihre Lippen
hatte sich verstärkt. Charles de Garche würde wiederkommen. Jeder, der nach
einer Sitzung dieses Haus verlassen hatte, war anders gewesen als zum Zeitpunkt
seiner Ankunft.
Und wenn er wieder kam - würde er bleiben.
Für immer ...
*
Für Captain Mike Shelly und seine Leute
begann der Tag mit einem Berg Arbeit.
Shelly mußte einen Großteil seiner Leute
einsetzen, um den mysteriösen Vorfall von letzter Nacht zu klären. Noch immer
hatte man nicht herausgefunden, woher Laplace gekommen war, wohin er wollte und
mit wem er sich eventuell zu treffen
Weitere Kostenlose Bücher