1381 - Romanze in Psi
nichts genommen, sondern sie nur von etwas befreit, was sie nie hatten haben wollen.
Ge-Liang stand noch immer in der offenen Schleuse und hing ihren Gedanken nach, als sie einen Hilferuf auffing. Es war Oni-Bas, die voller Entsetzen um Beistand bat, und Ge-Liang begriff plötzlich, daß sie einen ebenso dummen wie schwerwiegenden Fehler begangen hatte.
Sie waren zusammen losgezogen, acht Kartanin, die sich der Gefährlichkeit der Situation durchaus bewußt waren. Trotzdem waren sie froh, einmal aus dem engen Schiff hinauszukommen.
Es war für ihren Geschmack viel zu heiß auf Jezetu, und die Luft roch ungewohnt und hatte einen Beigeschmack von Moder der Salaam Siin einfach deshalb entgangen war, weil er eben nicht die feine Nase eines Kartanin besaß.
Aber über ihnen spannte sich freier Himmel, und die Luft war nicht unbewegt wie im Schiff, sondern der Wind blies aus ständig wechselnden Richtungen.
Die Siedlung machte keinen einladenden Eindruck, aber das Landefeld sah noch trübseliger aus, und außerdem gab es außer der Siedlung kein Ziel, das sie wählen konnten. So betraten sie denn doch die grauen, harten Straßen und schlenderten an etlichen langweiligen Gebäuden vorbei, bis sie plötzlich Stimmen hörten.
Es waren laute Stimmen, und es waren die Stimmen von Kartanin. „Sehen wir es uns an", sagte Sar-Eda, die in der Gruppe als Ge-Liang-P'uos Stellvertreterin galt. „Vielleicht kommen wir mit ihnen ins Gespräch. In der Stimmung dafür scheinen sie jedenfalls zu sein."
Die Stimmen drangen durch eine offene Tür, und hinter der Tür lag ein halbdunkler Raum, in dem es merkwürdig roch. Die Beleuchtung sagte den Kartanin aus Ardustaar zu, der Geruch dagegen nicht. Aber da hatte man sie bereits entdeckt. „Immer herein, ihr Hübschen!" rief ein Kartanin in dem eigentümlichen, aber einigermaßen verständlichen Dialekt, den Salaam Siins Fahrgäste mittlerweile sehr gut kannten. „Für euch haben wir immer Platz!"
Sar-Eda warf ihren Begleitern fragende Blicke zu. „Geht ihr ruhig weiter!" meinte Oni-Bas-H'ay. „Vielleicht findet ihr noch einen anderen Treffpunkt. Tru-Zen und ich werden uns hier ein wenig umhören."
Sar-Eda-H'ay zögerte immer noch, denn der Geruch wollte ihr nicht gefallen. Aber Oni-Bas war eine Kartanin, die stets wußte, was sie wollte. Sie wartete Sar-Edas Zustimmung gar nicht erst ab, sondern betrat den fremd riechenden Raum. „Ich bleibe ebenfalls hier", sagte Karn-Pera-H'ay leise, und nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: „Nur für den Fall, daß es Ärger gibt."
Sar-Eda gab sich damit zufrieden und ging mit dem Rest der Gruppe weiter.
Inzwischen hatte Oni-Bas den Raum durchquert. Tru-Zen und Kam-Pera folgten ihr langsam, wobei sie sich Mühe gaben, den Anschein von Gelassenheit zu erwecken. In Wirklichkeit waren sie hellwach und sehr angespannt.
Die weiblichen Kartanin hatten für die kleinen Schwächen ihrer männlichen Artgenossen meist nichts als Verachtung übrig, und viele von ihnen hatten auch gar keine Gelegenheit, diese Schwächen aus der Nähe kennenzulernen. Es gab auch in Meekorah Kartanin, die gerne allerlei berauschende Getränke zu sich nahmen. Es war verpönt, vielerorts sogar streng verboten, aber wer sich um jeden Preis berauschen wollte, der fand immer auch einen Weg, es zu tun.
Kam-Pera-H'ay war viel herumgekommen und kannte den Geruch, der diesen Raum füllte, nur zu gut.
Ihm war klar, daß Oni-Bas mit diesem Geruch nichts anfangen konnte, weil sie ihn nie kennengelernt hatte. Oni-Bas war in einer Esper-Schule aufgewachsen und hatte die darauffolgenden Jahre ihres Lebens größtenteils auf Raumschiffen verbracht. Wenn sie nach Kartan zurückkehrte, lebte sie in einem Stadtheim für hochkarätige Esper aus der Familie H'ay. In Esper-Schulen, Raumschiffen und Heimen wie denen, die Oni-Bas gewohnt war, wurden keine berauschenden Getränke ausgeschenkt.
Und wie war es mit Tru-Zen? Kam-Pera wußte es nicht genau. Tru-Zen war genauso jung wie Oni-Bas, und auch er kam von einer Eliteschule. Er war ein großartiger Kämpfer und ein sehr guter Techniker - viel mehr wußte Kam-Pera nicht über ihn. Oni-Bas hatte jenen Kartanin erreicht, der sie eingeladen hatte, den Raum zu betreten. Der Kartanin sah sehr seltsam aus, denn er trug auffallend bunte Kleidung, und außerdem war er geschminkt. Das schien in Hangay so üblich zu sein. „Setz dich zu mir, Hübsche!" sagte der fremde Kartanin mit bereits etwas unsicherer Stimme. „Wie heißt du denn?"
Und
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