1381 - Romanze in Psi
und ihre Begleiter hatten selbstverständlich nicht die leiseste Absicht, nach Eperum zu fliegen - ganz gleich, wie angenehm die Temperaturen dort auch immer sein mochten.
Sie warf Arnd-Kel unsichere, fragende Blicke zu. Er wartete geduldig. „Was sollen wir dort auf Eperum tun?" fragte sie schließlich. „Das wird sich erst entscheiden, wenn ihr dort seid", erwiderte der Kartanin nüchtern. „Ich nehme an, daß man versuchen wird, die Fähigkeiten des Sängers gezielt und planmäßig zu schulen und einzusetzen."
Salaam Siins Fähigkeiten wollte man also schulen?
Ge-Liang hätte beinahe laut aufgelacht.
Der Ophaler hatte den Kartanin hier und da ein wenig über seine Herkunft und seine Ausbildung erzählt, und er hatte - was weit schwerer wog - einige Kostproben seines Könnens gegeben. Es gab nichts, was die Hauri oder deren Helfer einem Salaam Siin in Sachen Musik noch beibringen konnten. „Es ist aber auch denkbar, daß man den Sänger sofort auf bestimmte Ziele ansetzt", fuhr Arnd-Kel fort. „Man ist auf ihn aufmerksam geworden. Es scheint, daß er eine höchst ungewöhnliche Gabe besitzt - obwohl ich selbst nicht recht beurteilen kann, worin diese Gabe besteht und welchen Wert sie für uns hat."
Da war er wieder - dieser Anflug von Haß.
Woher kam dieses Gefühl? Hatte der eifersüchtige, egozentrische Kartanin etwa die Befürchtung, daß ihm ein ophalischer Sänger den Rang ablaufen könnte?
Nein, das war es sicher nicht.
Arnd-Kel würde mit den anderen nach Paghal gehen, und dort hatte er von Salaam Siin nichts mehr zu befürchten. „Wie heißt euer Sänger eigentlich?" fragte Arnd-Kel. „Welchem Volk entstammt er?"
Ge-Liang-P'uo überhörte diese Frage geflissentlich. Sie sagte sich zwar, daß der Ophaler durch sein Aussehen und seine Fähigkeiten so auffällig war, daß die Hauri nicht erst seinen Namen zu wissen brauchten, um ihn einordnen zu können - falls sie Kenntnisse über das Volk der Musikanten besaßen.
Aber sie wollte das Schicksal nicht unnötig herausfordern. „Du sagtest gerade, daß du die Art und den Wert seiner Gabe nicht beurteilen kannst", kam sie auf Arnd-Kels frühere Bemerkung zurück. „Heißt das, daß dich seine Musik nicht ... erreicht?"
Er starrte sie an, und diesmal spürte sie ganz deutlich, daß es ihm einen inneren Stich versetzte. „Nein!" sagte er grob, fast zornig. „Aber selbst die Hauri sind von seinen Gesängen fasziniert!"
„Ich weiß."
„Gotan mor Bralk ..."
Ge-Liang verstummte, denn Arnd-Kel zerknüllte mit einer plötzlichen, heftigen Bewegung der rechten Hand eine Schreibfolie und schleuderte sie in eine Ecke seines winzigen, wenig anheimelnden Büros. „Ich habe seine Reaktion gesehen!" rief er wütend, und für einen überzeugten Jünger des Hexameron, der es sogar bis zum stellvertretenden Cheffunker von Jezetu gebracht hatte, war seine Reaktion erstaunlich heftig.
Der Kartanin war über sich selbst erschrocken. Er saß für einen Augenblick stocksteif da und rang um seine Fassung. „Ich weiß, daß die Hauri diese Gesänge als sehr erhebend empfinden", sagte er endlich in ruhigerem Tonfall. „Und nicht nur die Hauri. Anfangs war ich mißtrauisch. Ich glaubte, daß euer Sänger seine Zuhörer beeinflussen kann, und ich hielt ihn für gefährlich."
Ge-Liang nahm es zur Kenntnis. Sie hatte das längst geahnt. „Er ist nur ein Sänger und weiter nichts", sagte sie leichthin. „Als ich ihn kennenlernte, habe ich dasselbe gedacht. Damals war er mir manchmal richtig unheimlich. Aber inzwischen habe ich festgestellt, daß die Wirkung seiner Musik einfach darauf beruht, daß er von dem, was er damit ausdrückt, vollständig überzeugt ist. Das teilt sich seiner Musik und auf dem Umweg über die Musik auch seinen Zuhörern mit.
Das ist sein ganzes Geheimnis."
„Es ist erstaunlich, jemanden wie dich so logisch reden zu hören", bemerkte der Kartanin. „Du scheinst außerdem das besondere Vertrauen des Sängers zu besitzen. Hat das bestimmte Gründe?"
Ge-Liang fuhr die Krallenspitzen ein klein wenig aus, betrachtete den hochnäsigen Jünger des Hexameron und sagte sich, daß es sinnlos war, sich über ihn aufzuregen. Sie stammten aus so verschiedenen Welten, daß er noch nicht einmal ahnen konnte, wie beleidigend seine Äußerung für sie war.
Ge-Liang-P'uo war eine sehr tolerante Kartanin, die von weiblichem Hochmut nichts hielt. Sie war sich dennoch der Tatsache bewußt, daß auch sie nicht frei von solchen Gefühlen war - und daß
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