1381 - Romanze in Psi
verschwinden", gab Arnd-Kel zu bedenken. „Gotan mor Bralk könnte nach mir rufen. Es ist verboten, während der Arbeitszeit dieses Gebäude zu verlassen."
„Verboten - für den Stellvertreter des Cheffunkers?"
Arnd-Kel vollführte eine verlegene Geste. „Nun - ich genieße natürlich einige Freiheiten ..."
„Gotan mor Bralk auch", sagte Ge-Liang, der plötzlich eine Erleuchtung gekommen war.
Sie hatten in den letzten Tagen festgestellt, daß der Cheffunker zu verschiedenen Zeiten für jeweils zwei Stunden nicht ansprechbar war. Zwei Stunden brauchte Salaam Siin, um die Lieder der Sechs Tage, mit entsprechenden Ausschmückungen versehen, vorzutragen. Die Ausschmückungen waren selbstverständlich nur rein musikalischer Art. An den Texten nahm der Sänger keinerlei Veränderung vor. „Komm!" sagte sie zu dem Kartanin, streckte ihm die Hand hin und versuchte es mit der schwächsten Form einer Beeinflussung. Sie wußte nicht einmal, ob Arnd-Kel überhaupt etwas davon merkte, aber sie hatte Angst, stärker zuzupacken. Sie fürchtete, daß er Verdacht schöpfen und Alarm schlagen würde, denn sie wußte, daß die Jünger des Hexameron darauf trainiert waren, derartigen Beeinflussungsversuchen zu widerstehen.
Zuerst schien es, als würde er nicht reagieren, aber dann stand er doch auf, zögernd und langsam, offensichtlich von einem schlechten Gewissen geplagt. „Wo hält sich Gotan mor Bralk jetzt auf?" fragte sie. „Hier in der Station. Warum fragst du danach?"
„Führe mich zu ihm!"
„Das kann ich nicht."
„Unsinn. Es kann doch nicht verboten sein, daß du mir den Raum zeigst, in dem er sitzt. Wir brauchen nicht hineinzugehen. Er wird uns weder sehen noch hören."
Der Kartanin zögerte immer noch, aber der Einfluß, den Ge-Liang auf ihn ausübte, wurde endlich doch wirksam. „Ich zeige es dir", murmelte er.
Sie ließ sich von ihm durch die Funkstation führen. Es gab nicht viel zu sehen. Es war ein so nüchternes graues Gebäude, daß einem um den seelischen Zustand der Hauri angst und bange werden konnte. Vor einer stumpf grauen, schmucklosen Tür blieb der Kartanin stehen. „Und was nun?" fragte er ratlos.
Ge-Liang konnte sich die Antwort sparen. Als sie vor der Tür angekommen waren, war es still geworden.
Jetzt vernahmen sie eine schnell ansteigende Flut von Tönen. Salaam Siin stimmte das Lied des Vierten Tages an.
Ge-Liang beobachtete den Kartanin verstohlen. Sie sah, wie er die Hände verkrampfte und die Zähne zusammenbiß. Die Erkenntnis, daß sein Vorgesetzter sich nur deshalb zurückgezogen hatte, weil er sich Salaam Siins Konzert anhören wollte, machte Arnd-Kel schwer zu schaffen. „Selbst wenn er merken sollte, daß du dich ohne seine Erlaubnis aus der Station entfernt hast, hätte er kein Recht, dir Vorwürfe zu machen", stellte Ge-Liang nüchtern fest, während Salaam Siin nach besten Kräften sang.
Arnd-Kel stieß die Luft so heftig aus, daß fast ein Fauchen daraus wurde. Dann drehte er sich um und marschierte dem Ausgang entgegen. Sie folgte ihm zufrieden.
Der Regen hatte aufgehört, und das Gewitter war nach Norden abgezogen. Die Tage auf Jezetu waren kurz. Es ging bereits auf den Abend zu. Es war ein wenig kühler geworden, aber von Süden her kamen bereits wieder warme Winde heran.
Während der Fahrt zum Landefeld war der Kartanin auffallend schweigsam. Er hatte Ge-Liang ohne jedes Zögern das Steuer überlassen, und nun saß er stumm und regungslos neben ihr. Sie wußte, daß er Angst hatte. Was er in diesem Augenblick tat, entsprach nicht seinen Pflichten, und das beunruhigte ihn.
Die weiblichen Kartanin hatten den Tag im Schiff verbracht und die Abwesenheit der männlichen Kartanin genutzt, um ein paar Stunden zu schlafen. Kam-Pera und seine Leute waren in der Siedlung unterwegs wie immer um diese Zeit. Sie hatten mittlerweile ein paar ziemlich feste Kontakte geknüpft. Es gab auch unter den Jüngern des Hexameron Individuen, die ein wenig Geselligkeit brauchten, und die meisten litten unter chronischer Langeweile. Trotzdem mußten die Kartanin sehr vorsichtig sein, denn an der Situation an sich hatte sich nichts geändert. Sie durften sich noch immer kein falsches Wort erlauben.
Man konnte mit den Jüngern des Hexameron reden - Freundschaft schließen konnte man mit ihnen nicht, denn sie alle waren durch den Einfluß der Hauri zu Fanatikern geworden.
Sar-Eda-H'ay saß in der kleinen Kommandozentrale und beobachtete gelangweilt einige Instrumente. Sie schrak
Weitere Kostenlose Bücher