1381 - Romanze in Psi
Stellvertreter des Cheffunkers.
Arnd-Kel hockte in einem winzigen Raum, der sparsam beleuchtet und spartanisch eingerichtet war. Der Kartanin blickte Ge-Liang finster entgegen. Er schien sehr schlechter Laune zu sein, was Ge-Liang jedoch nicht schreckte. Im Gegenteil, je intensiver der Kartanin mit anderen Gedanken beschäftigt war, desto eher hatte sie eine Chance, an ihn heranzukommen. „Ich wollte mit' Gotan mor Bralk sprechen", sagte sie. „Aber er hat jetzt keine Zeit für mich."
„Er hätte jetzt selbst für mich keine Zeit!" knurrte der Kartanin. „Tatsächlich?" fragte Ge-Liang mit geheucheltem Erstaunen. „Aber du bist doch sein Stellvertreter! Ich dachte, daß du eine Sonderstellung einnimmst."
Der Kartanin schien keine Lust zu haben, mit Ge-Liang über seine Beziehungen zur haurischen Hierarchie zu diskutieren - noch nicht. Ge-Liang spürte in seinen Gedanken, die oberflächlich und nichtssagend wie die aller Jünger des Hexameron waren, Untertöne von Ärger, von Neid und von Enttäuschung. Und ganz schwach, nur ganz leise angedeutet, war da sogar eine Spur von Haß.
Ge-Liang-P'uo erkannte den Ursprung dieser Gefühle und empfand plötzlich zu ihrer eigenen Überraschung Mitleid mit Arnd-Kel.
Der Kartanin hatte sich der Sache der Hauri mit Leib und Seele verschrieben. Er aß, trank, wachte und schlief im steten Bewußtsein seiner Überzeugung und seiner Hingabe an ein Ziel, das er selbst keineswegs für unsinnig hielt. Arnd-Kels Verhältnis zu den Liedern aus dem Buch Hexameron und den Lehren des Herrn Heptamer war kein Ergebnis logischer Überlegungen, sondern entsprang Gefühlen, die fast schon erotische Züge hatten.
Arnd-Kel hatte in der Lehre, der die Hauri anhingen, einen Ersatz für die Liebe gefunden.
Aber er war ein eifersüchtiger, egoistischer Kartanin, und sicher war ihm unterschwellig auch schon längst klargeworden, daß es mit der Erfüllung seiner Wünsche in dieser seltsamen Partnerschaft, die ohnehin nur in seiner Einbildung existierte, hapern würde.
Er war verletzlich geworden.
Ge-Liang wurde sich der Tatsache bewußt, daß sie den Kartanin anstarrte. Sie räusperte sich und hockte sich auf ein haurisches Sitzmöbel, das sich als noch härter und unbequemer erwies, als es aussah. „Das alles geht mich ja auch nichts an", meinte sie mit gespieltem Desinteresse. „Weshalb ich hier bin ..."
„Ich kann es mir denken", fiel Arnd-Kel ihr ins Wort. „Tatsächlich?"
Sie gab sich überrascht, und er bedachte sie mit jenem halb wohlwollenden, halb belustigten Blick, mit dem Vorgesetzte ihren Untergebenen - ganz gleich, welchem Volk beide angehören - zu verstehen geben, daß sie dank ihrer überlegenen Intelligenz die kleinlichen Wünsche beschränkterer Gemüter schon im voraus erkannt und längst die richtigen Entscheidungen getroffen haben. „Du hast gehört, daß wir in Kürze nach Paghal gebracht werden", sagte der Kartanin. „Und nun möchtest du wissen, welche Anordnungen wir in bezug auf den fahrenden Sänger und euch, seine Begleiter, treffen werden."
„So ist es!" sagte sie und blickte mit geheuchelter Bewunderung zu ihm auf.
Wie klug du bist! sagten ihre Blicke, und der Kartanin straffte sich im Bewußtsein seiner Verantwortung und seiner Macht. „Nun", begann er mit ernster Miene, „wir werden euch nicht nach Paghal mitnehmen können. Du mußt das verstehen - ihr hättet dort keine Funktion zu erfüllen."
„Der Sänger könnte euch mit seinen Liedern Mut und Kraft geben", gab Ge-Liang zu bedenken. „Ihr werdet beides brauchen, nehme ich an."
Arnd-Kel schenkte ihr das kartanische Äquivalent zu einem mitleidigen, etwas herablassenden Lächeln. „Du irrst dich", behauptete er. „Aber das ist ja auch nur natürlich. Da du nicht weißt, was wir auf Paghal tun werden, kannst du selbstverständlich auch nicht ahnen, welche Bedürfnisse sich mit unserer Tätigkeit verbinden werden."
„Oh!" machte Ge-Liang betroffen. „Da hast du recht."
Arnd-Kels Blicke versicherten ihr, daß er sich dieser Tatsache schon seit langem bewußt war. „Aber wohin sollen wir gehen, wenn ihr fort seid?" fragte Ge-Liang-P'uo. „Das ist noch nicht endgültig entschieden", erklärte der Kartanin. „Aber wahrscheinlich wird man euch nach Eperum schicken. Das ist der fünfzehnte Planet des Ushallu-Systems. Eine angenehme Welt, kühler als Jezetu oder Paghal. Ihr werdet euch dort wohl fühlen."
„Ich weiß nicht recht", murmelte Ge-Liang mit gespielter Unsicherheit, denn sie
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