1381 - Wanderer zwischen den Welten
nicht allein lassen. Außerdem wollte er, dass ich zu ihm kam, sonst hätte er nicht Teresa mit dieser Botschaft geschickt.
Eigentlich hätte ich noch bei Cynthia bleiben müssen, aber die Musik spielte im Moment woanders, und da wollte ich mitmischen.
Die Angst war der unsichtbare Gast auf dieser Zirkuswiese nahe einer kleinen Ortschaft oder auch Trabantensiedlung, deren hohe Häuser wie Türme nicht weit entfernt standen. Die übrigen Mitglieder waren nicht zu sehen. Sie hatten sich in ihren Wohnwagen oder Wohnmobilen verschanzt und würden sich auch so leicht nicht mehr hervortrauen.
Ich hatte Platz.
Der weiche Rasen dämpfte meine Schritte. Nach ein paar Metern hatte ich den Bereich der Wohnmobile verlassen, und ich konzentrierte mich auf das Zelt. Es malte sich wie eine große Plastik in der Dunkelheit ab, und zwischen mir und ihm war das kleine Kassenhaus aufgebaut, in das man den Toten hineingedrückt hatte.
Ich wollte dort nicht nachschauen, denn das Zelt war wichtiger.
Er rückte näher, aber ich war noch einige Meter entfernt, als ich die Stimmen hörte.
Sofort verringerte ich mein Tempo. Ab jetzt ging es langsamer voran. Ich war verdammt gespannt und spürte auch das Kribbeln auf meiner Haut. Die Stimmen wiederholten sich, so konnte ich herausfinden, dass die männliche Suko gehörte.
Und die weibliche?
Ich ging nicht mehr weiter. Im Stehen gelang mir eine bessere Konzentration.
Ja, auch eine Frau sprach. Da hatte ich mich nicht geirrt. Es war ein Wechselspiel zwischen den beiden Menschen. Ich konzentrierte mich weniger auf das Gesagte, sondern mehr auf die weibliche Stimme, die mir bekannt vorkam.
Sehr bekannt sogar…
Noch wollte ich es nicht glauben und bewegte mich näher an die Außenseite des Zelts heran.
Den endgültigen Beweis hörte ich bei der nächsten Frage, die sehr laut gestellt wurde.
»He, siehst du es?«
Was Suko antwortete, war für mich nicht wichtig, denn jetzt wusste ich Bescheid.
Die Stimme gehörte Cynthia Black. Jener Cynthia, die sich im Wohnwagen befinden musste und nicht in diesem verdammten Zelt vor mir…
***
Die blonde Artistin auf dem Bett des Wohnmobils hörte sich selbst heftig atmen, aber auch Teresa schnappte immer wieder nach Luft.
Sie brauchte jetzt einen Sitzplatz und setzte sich auf die Kante, wo sie erst mal hockte und ständig den Kopf schüttelte wie jemand, der die Welt nicht mehr begriff.
»Ich kann es nicht begreifen«, flüsterte sie. »Es ist alles so anders und fremd. Ich weiß nicht mehr weiter, und mir fällt nur ein, was mir meine Mutter immer gesagt hat. Manchmal verlässt der Teufel die Hölle, um die Menschen zu besuchen.« Sie schaute Cynthia an.
»Glaubst du daran, das es passieren kann?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber ich. Heute ist so eine Nacht. Da hat der Teufel die Hölle verlassen. Er ist ja ein Meister der Verkleidung, weißt du?« Teresa bewegte ihre gespreizten Finger. »Er zeigt nur selten sein wahres Gesicht. Jeder von uns kann der Teufel sein. Du, ich auch…«
»Das weiß ich nicht.«
»Doch, doch, Cynthia. Die Welt ist nicht nur gut. Sehr oft ist sie schlecht. Daran musst du dich leider gewöhnen. Aber was erzähle ich da, du hast es selbst oft genug erlebt. Diesmal ist er da. Er hat sich verkleidet, und er hat jemand getötet. Pavel lebt nicht mehr. Er ist sein Opfer geworden.« Die nächsten Worte zischte sie Cynthia entgegen. »Der Teufel hat ihm mit seinen Krallen die Kehle aufgerissen. Wahrscheinlich ist er an seinem eigenen Blut erstickt oder so.« Jetzt hob sie den rechten Zeigefinger. »Und ich sage dir, mein Kind, Pavel wird nicht der Einzige bleiben, der sein Leben verloren hat. Es kann uns alle treffen. Einem nach dem anderen. Wir sind der Nachschub für die Hölle.«
Cynthia schloss die Augen. Sie konnte und wollte es nicht mehr hören, und als Teresa wieder anfangen wollte, sprach sie schon beim ersten Wort dagegen.
»Nein, bitte, ich will das nicht mehr hören. Ich… ich … kann es nicht.«
Teresa hörte nicht auf. »Aber es ist die Wahrheit. Was hier passiert, ist Teufelswerk.«
»Nein, lass mich. Bitte, lass mich. Geh, Teresa. Du weißt, dass ich dich mag, aber ich möchte das nicht mehr hören. Ich kann es auch nicht. Es ist zu viel passiert.«
»Ja, Cynthia, das verstehe ich. Entschuldige, aber es ging bei mir nicht anders. Das musste einfach raus, denn ich habe ebenfalls Angst. Ich will leben und nicht durch einen Diener der Hölle umgebracht werden. Das habe ich nicht verdient. Das
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