1381 - Wanderer zwischen den Welten
erfahren hatte, war für sie ungeheuerlich. »Du meinst, dass ich mich selbst töte?«
Norma lächelte kalt. »Das kann passieren.«
Die Artistin hatte das Gefühl, als wäre ihr der Mund verschlossen worden. Sie wollte unbedingt etwas sagen, nur brachte sie keinen Ton hervor. Sie weigerte sich auch, an ihre Zukunft zu denken, aber die Gedanken konnte sie nicht stoppen, und so würde sie sich damit abfinden müssen, dass etwas Grauenvolles auf sie zukam. Ohne Hilfe würde sie diesen Tunnel nicht durchschreiten können, aber wer konnte ihr zur Seite stehen? Da gab es nur einen oder auch zwei.
John Sinclair und dieser Suko. Eine andere Möglichkeit war für sie nicht denkbar.
»Ich habe dir gesagt, wie es ist, Cynthia. Damit fertig werden musst du selbst.«
Lange dachte Cynthia über den Satz nach, bis sie dann eine bestimmte Frage stellte.
»Aber ich kann auch mein anderes Ich vernichten? Das ist bei dir doch auch passiert?«
»Ja, ist es.«
»Na eben, dann…«
»Aber du wirst es nicht schaffen. Wenn dein anderes Ich erscheint, wirst du merken, dass es stärker ist als du. Du wirst alles tun, was es verlangt.« Sie nickte Cynthia zu, die noch immer auf der Bettkante saß und nichts sagen konnte.
Norma stand auf. »Ich werde dich jetzt verlassen und aus einer gewissen Distanz zuschauen, wie es dir ergeht, und ich werde mich darüber freuen, wenn eine Diebin zum Teufel geschickt wird.«
Eine weitere Frage lag Cynthia plötzlich auf der Seele. »Und dieser Alain? Was ist mit ihm?«
»Oh, er existiert noch.«
»Ein- oder…«
»Doppelt, meine Liebe. Und eines muss ich dir sagen. Er hat es gehasst, dass du uns durch dein Eindringen in unser Haus gestört hast, und er wird dich bestrafen wollen, wobei ich dir meine Hilfe nicht versprechen kann. Hier müssen bestimmte Dinge geregelt werden, und wir werden auf der Seite der Gewinner sein.«
Mehr wollte sie nicht sagen. Jetzt drehte sie wirklich ab, um das Wohnmobil zu verlassen.
Das Schicksal allerdings hatte etwas anderes vor. Wieder wurde die Tür aufgerissen, und eine schreckensbleiche Teresa stürmte in das Fahrzeug.
Von Norma nahm sie keine Notiz. Sie hatte nur Augen für Cynthia. Dicht vor ihr blieb sie stehen und rang die Hände.
»Was ist denn?«
»Schüsse, Kind«, flüsterte sie. »Schüsse im Zelt…«
***
Suko hörte die Schüsse, die schnell hintereinander fielen, und er rannte wie ein Hase im Zickzack durch die Manege, um eine dunklere Stelle zu erreichen. Die fand er bei den Sitzen, in die er hineinhechten wollte.
Aber nicht nur er rannte, auch ich war zur Stelle. Nur brauchte ich gewisse Zeit, um von einem Punkt zum anderen zu gelangen, und die verdammten Echos der Schüsse gefielen mir gar nicht.
Ich musste auch Acht geben, dass ich nicht getroffen wurde, und selbst eine gute Schussposition bekommen.
Ich sah Suko rennen.
Im Zickzack huschte er durch das Rund der Manege. Seine Füße wirbelten den Inhalt hoch, als wären es die Hufe der Pferde.
Ich schaute nach oben zu rechten Plattform hin.
Dort stand Alain!
Er hatte sich zur Seite gedreht. Mit einer Hand hielt er sich an einer Stange fest, die andere hatte er nach unten gesenkt und feuerte auf Suko.
Mich sah er nicht.
Auch ich hielt meine Beretta längst in der Hand. Okay, es war nicht die ideale Entfernung für einen perfekten Treffer, aber es gab genügend Licht, und ich hoffte, ihn dennoch zu erwischen.
Als Suko mit einem Hechtsprung über den Rand der Manege hinwegsetzte, drückte ich ab.
Drei Mal schoss ich auf Alain, der trotz des Geräuschs seiner eigenen Waffe das andere Krachen hörte. Er riss seinen rechten Arm in die Höhe, drehte sich mit einem wilden Schwung auf der schmalen Plattform herum – und rutschte über die Kante hinweg.
Ich hielt den Atem an, als ich den fallenden Körper sah. Wie ein Stein fiel er in die Tiefe, und es gab hier kein Netz, das seinen Fall gebremst hätte.
Und doch landete er nicht in der Manege, denn beim Fallen schleuderte er seinen Körper nach vorn und bewies somit, wie gut er sich in der Gewalt hatte.
Durch den Schwung geriet er in die unmittelbare Nähe des Seils – und griff zu.
Er bekam es zu packen, sein Körper schleuderte dabei nach vorn, und ich rechnete damit, dass er schreien würde, weil seine Handflächen von dem Hochseil zerschnitten wurden.
Er schrie nicht. Er sprang auch nicht. Er flog nicht in meine Kugel hinein, denn er gab sich noch einmal Schwung und ließ das Seil dann los.
Alain flog auf mich zu.
Ich riss
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