1386 - Die Gefangenen des Schwarzen Tods
Hut bedeckt. Die Hände hatte er in die Taschen gesteckt, während der auf den Superintendent zuschlenderte.
Sir James sah ihn. Verdacht schöpfte er keinen. Er ging weiter, und er dachte auch nicht daran, dass er mit dem Fremden zusammenprallen könnte, weil beide sich auf verschiedenen Seiten des Gehsteigs bewegten.
Bis zum dem Augenblick, als der Mann plötzlich vor dem Superintendenten auftauchte. Er hatte die Seite gewechselt, ohne dass es Sir James aufgefallen wäre, und so konnte der Superintendent nicht weiter, ohne den Mann umzulaufen.
Also blieb er stehen.
Beide schauten sich für einen Moment an.
Dann hörte Sir James das leise Lachen. Sofort schrillten bei ihm die Alarmglocken. Er hob den Kopf weiter an, weil der andere Mensch größer war als er, und schaute direkt in das Gesicht, in dem ihm sofort die kalten Augen auffielen.
Genau in dieser Sekunde war ihm klar, dass der Mann nicht nur ein einfacher Spaziergänger war, sondern praktisch auf ihn gewartet hatte. Unter der Hutkrempe malte sich sein Gesicht ab, das Sir James im Prinzip unbekannt war, was aber nicht so recht stimmte. Zwar hatte er das Gesicht noch nie gesehen, aber etwas stürmte aus seiner Erinnerung, und in seinem Kopf erschienen Bildausschnitte. Er erinnerte sich an das, was er gehört hatte, was ihm John Sinclair oder Suko berichtet hatten.
Dieses Gesicht, diese Augen, in denen so gut wie kein Ausdruck lag, die aber trotzdem durch ihren Blick einen Menschen regelrecht sezieren konnten.
Augen wie…
Die Stimme unterbrach seine Gedanken. Sie war flach, es gab keine Emotionen in ihr, aber sie klang auch irgendwie.
»Wie schön, dass ich Sie getroffen habe…«
»Wer sind Sie?« Sir James hatte die Frage nicht stellen wollen, weil sie ihm so naiv vorkam, aber der andere hatte sie wohl erwartet, denn er lächelte, bevor er fragte: »Sie kennen mich nicht?«
Sir James überlegte. Da wirbelten die Gedanken wie Fetzen durch sein Gehirn. Doch, er kannte ihn. Irgendwie kam er ihm jedenfalls bekannt vor. Gesprochen hatte er noch nie mit ihm. Sie waren sich nicht begegnet, aber trotzdem war da eine Erinnerung.
Diese Augen, dieser Blick!
»Nun? Erkennen Sie mich, alter Mann?«
Auf den ›alten Mann‹ ging Sir James gar nicht ein.
Ja, der Typ war ihm fremd und zugleich bekannt.
Dann kam der berühmte Gedankenblitz, der Sir James traf. Jetzt wusste er plötzlich, wen er vor sich hatte, und er sprach den Namen flüsternd aus.
»Saladin…«
***
Bill saß auf der Couch. Von dort aus hatte er auch mit seinem Freund John Sinclair gesprochen. Er machte den Eindruck eines Menschen, der alles verloren hatte.
Seine Ellebogen stützte er auf beide Oberschenkel. Den Körper hatte er nach vorn gebeugt und die Hände vor sein Gesicht gelegt, als wollte er nichts mehr auf dieser Welt sehen. Hin und wieder schüttelte er den Kopf oder stieß einen schnaufenden Laut aus.
Bill tat der Staatsanwältin Leid. Eine Weile ließ sie ihn so sitzen, dann stand sie auf, ging zu ihm und ließ sich dicht neben ihm nieder.
»Okay, Bill, ich weiß ja, dass es dir nicht gut geht nach all dem, was wir erfahren haben. Aber es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, denke ich.«
Bill lachte hinter seinen Handflächen. Wenig später ließ er die Arme sinken. »Im Prinzip hast du nicht mal Unrecht. Purdy, aber die Dinge sind nicht wieder so einfach hinzubiegen.«
»Warum nicht?«
»Der Schwarze Tod ist zu mächtig geworden. Aber es ist ja nicht nur er, für mich ist Saladin noch wichtiger. Er hat in diesem verdammten Fall das Sagen.«
»Was bedeutet das?«
»Dass er sich in unserer Welt bewegen kann, ohne dass es auffällt. Er sieht aus wie ein Mensch, das ist sein Vorteil. Leider besitzt er die Macht eines Unmenschen.«
»Er hat sich Glenda geholt, und deine Befürchtung ist jetzt, dass er sich weitere Menschen holt und sie verschleppt, richtig?«
»Genau.«
»An wen hast du da gedacht?«
»Logisch wäre es, wenn er sich um John und Suko kümmert, aber ich glaube nicht, dass er dies sofort in die Wege leiten wird. Die beiden sind keine einfache Beute.«
»An wen hast du sonst gedacht?«
Bill hob die Schultern.
»Du willst es mir nicht sagen – oder?«
»Du könntest auch auf seiner Liste stehen, Purdy.«
Die Staatsanwältin lachte. »Wenn das so ist, gehe ich gleich ins Schlafzimmer und hole mir einige Waffen, die Eric als Erbe hinterlassen hat.«
»Sieh das bitte nicht zu locker.«
»Nein, nein, das werde ich auch nicht. Ich wollte
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