1388 - Die fliegenden Teufel
seinen Mund bis in den Rachen.
Es war für ihn eine Wohltat. Er spürte die Wärme des Blutes, er spürte die Kraft, die darin steckte und die jetzt auf ihn überging. Die Welt war für ihn in einem Taumel versunken.
Dass sich der Mann unter ihm bewegte, das nahm er nur am Rande wahr. Es war zudem nicht mehr als ein hilfloses Zucken, denn befreien konnte sich der Jogger nicht.
Er war zur Beute geworden, und sein Blut gab Mallmann die Kraft, die er für die Zukunft brauchte.
Er lag an einer geschützten Stelle, die auch von dem nahen Weg nicht einzusehen war. So konnte er sich Zeit lassen, und Mallmann ließ sich Zeit, denn er saugte sein Opfer bis auf den letzten Tropfen leer.
Als er sich wieder aufrichtete und auf den Hals des Mannes schaute, da sah er, was seine Zähne angerichtet hatten. Es war nicht nur die Bissstelle zu sehen, die Zähne hatten auch um sie herum die Haut aufgerissen und die Kehle regelrecht zerfetzt. Aus der scheußlichen Wunde sickerte allerdings kein Blut mehr, weil dieser leblose Körper leer getrunken war.
Mallmann blieb für eine Weile neben ihm knien. Er benahm sich jetzt wie ein Tier, das auch die letzten Reste seiner Nahrung noch mitbekommen wollte.
Seinen Kopf bewegte er kreisförmig hin und her, die Zunge aus dem Mund gestreckt, denn nur so konnte er seine Lippen umlecken und auch den letzten Rest an Blut abschlecken.
Er war zufrieden. Er war satt. Dieser leblos daliegende Mensch hatte ihm genau das gegeben, was er brauchte und wonach er so lange in der Hexenwelt gedürstet hatte.
Die Zukunft, die vor ihm lag, sah immer besser aus. Er gelangte zu der Überzeugung, dass er die Vorgänge dieser Nacht einzig und allein für sich entscheiden konnte.
Der Jogger vor ihm war nicht wirklich tot. Er würde bald wieder auferstehen und sein anderes Dasein beginnen. Auch er musste sich vom Blut der Menschen ernähren, und als Hyde-Park-Vampir hätte er sicherlich Schlagzeilen gemacht.
Doch Mallmann entschied sich dagegen. Nein, er würde ihn mitnehmen, denn vielleicht konnte man ihn als große Überraschung gegen Sinclair einsetzen.
Mit einer ruckartigen Bewegung stand er auf. Ein letztes Mal leckte er gierig über seine Lippen, bevor er den Schutz der Bäume verließ und auf dem Weg stehen blieb.
Er schaute sich seine Umgebung an, weil er sicher sein wollte, keine Zeugen gehabt zu haben.
Er hatte Glück, es gab keine. Trotz der relativ lauen Nacht trieb es nicht viele Jogger ins Freie, und so konnte er sich in aller Ruhe auf den Rückweg machen.
In seiner menschlichen Gestalt bewegte sich der Vampir normal weiter. Nicht aber in der klassischen Fledermausgestalt. Da konnte er die Kraft seiner Schwingen einsetzen und durch die Luft fliegen.
Auch mit einer Beute!
Mallmann überlegte nicht mehr länger. Die Verwandlung lief bei ihm sehr rasch ab, und wenig später schwebte eine riesige Fledermaus mit einem menschlichen Kopf zwischen den Schwingen und starken Krallen als Hände über dem Liegenden und griff dann zu. Der Körper wurde in die Höhe gezerrt, die lederartigen Schwingen schlugen auf und nieder, und kurze Zeit später war Dracula II mit seiner Beute bereits in der Dunkelheit verschwunden und auf dem Weg zu seinem Ziel, wo sich die nächste Zukunft entscheiden sollte…
***
Sie sah aus wie ein Menschen, aber sie war trotzdem ein Geschöpf der Nacht, das sich besonders jetzt wohlfühlte, denn das Licht des Tages entschwand recht schnell, und in dunklen Abenden und Nächten fand sie sich am besten zurecht.
Justine war unterwegs!
Sie musste es einfach tun. Sie konnte es bei Anbruch der Dämmerung schon schlecht in ihrem Zimmer aushalten. In ihr hatte eine Nervosität gesteckt, die nur selten bei ihr vorkam. Etwas Durchschlagendes war passiert: Der Schwarze Tod war von John Sinclair vernichtet worden!
Das war ein Grund zum Feiern, und zum Feiern brauchen Vampire Blut!
Das wollte sie sich holen. Die Nacht lockte sie, denn auch in der Dunkelheit gab es Opfer, die mit dem köstlichen Lebenssaft gefüllt waren.
In der Nacht wurde sie zur Jägerin, zum Raubtier – zur blonden Bestie!
Sie wollte raus. Sich umschauen. Die Dunkelheit genießen.
Wieder Kraft tanken und Blut trinken, obwohl sie dies nicht so nötig hatte und sich auch an die Regeln hielt, sich nicht gehen zu lassen und sich nicht einfach auf Menschen zu stürzen, die ihr über den Weg liefen.
Justine Cavallo hatte das Haus verlassen, ohne Jane Collins Bescheid zu geben. Draußen war bereits das Tageslicht
Weitere Kostenlose Bücher