139 - Das Schwarze Schloß
ihm glaubten oder nicht, stand auf einem anderen Blatt. Immerhin konnten sie verraten, daß es hier absolut keine Möglichkeit gab, Fahrzeuge zu mieten falls es sich nicht um Eselskarren handelte. In diesem Teil der Welt gingen die Uhren noch anders. Erfreulich anders, dachte Dorian etwas wehmütig. Irgendwann würde auch dieser Fleck auf der Landkarte von der hochtechnisierten Zivilisation endgültig überrollt werden.
Coco machte ihm allmählich Sorgen. Warum wurde sie nicht wieder wach? Er begann sich um sie zu kümmern, eifrig unterstützt von Izmirs Frau. Nach einer Weile schlug die ehemalige Hexe endlich die Augen auf.
Sie sah Dorian verständnislos an.
„Was war los, Rian?"
Der Dämonenkiller erzählte es ihr. Coco versuchte sich aufzusetzen, aber es gelang ihr erst im zweiten Anlauf und mit Dorians Hilfe. Sie fühlte sich etwas schwindlig. Aber nach einer Gehirnerschütterung sah sie eigentlich nicht aus.
„Am besten bleibst du hier", sagte Dorian. „Du wärst in diesem Zustand nur eine Belastung. Ich werde versuchen, allein in das Schwarze Schloß einzudringen…"
Izmir und seine Holde hatten nur „Schwarzes Schloß" verstanden. So betrunken war Izmir nun auch wieder nicht, daß er nicht sofort wieder sein Abwehrzeichen machte und nach dem Knüppel schielte. „Und ihr seid doch Dämonen!" stieß er erregt hervor. „Nur Dämonen sind…"
„Jetzt halten Sie endlich mal den Rand", fauchte Dorian ihn an. „Himmel, wie kann ein einzelner Mensch nur so borniert sein…"
„Verschwindet!" keifte Izmir dennoch. „Verlaßt sofort dieses Haus, unheilige Dämonenkreaturen… sofort!" Und Bannzeichen folgte auf Bannzeichen.
Dorian hielt es für besser, das Feld zu räumen, ehe die Sache wieder in eine Prügelei ausartete. Der genossene Alkohol machte Izmir mutig. Gegen einen wirklichen Dämonen hätte er keine Chance gehabt. So aber fühlte er sich stark und unbesiegbar, und Dorian ging der Auseinandersetzung aus dem Weg.
Er mußte Coco stützen, als sie das Haus verließen. Die ehemalige Hexe taumelte.
Jetzt, draußen auf der Straße, sah Dorian auch das Schwarze Schloß oben am Berg. Er sah wieder Coco an.
In dieser Verfassung konnte sie nicht mit hinauf. Sie mußte hier unten im Dorf bleiben.
Aber wie und wo?
Claudia Arentz hastete durch den dunklen Korridor. Allmählich wurde sie langsamer. Ihre Kraftreserven waren nicht unerschöpflich, und sie hatte schon zu viel in dieser Nacht hinter sich gebracht. Sie wurde kurzatmiger. Aber sie wollte keine Pause einlegen, solange der Weg noch anhielt. Wohin er sie führte, wußte sie nicht. Sie hoffte nur, daß es irgendwo ein Tor geben würde, das sie öffnen konnte und das in die Freiheit hinausführte.
Sie mußte irgendwie nach draußen gelangen. Dann konnte sie Hilfe für die anderen organisieren - sofern sie noch lebten!
Ein wenig machte sie sich Vorwürfe, daß sie so einfach davonrannte, ohne den Freunden direkt zu helfen. Aber was konnte sie denn schon tun? Nichts, außer sich abermals gefangennehmen zu lassen. Und damit war niemandem gedient.
Die Fackel brannte langsam nieder.
Claudia wußte nicht mehr, wie lange sie schon unterwegs war und wie weit sie gelaufen war. Sie hatte längst Orientierung und Zeitgefühl verloren. Sie wußte nur, daß der Gang mehrmals Biegungen gemacht hatte, daß er mal anstieg und mal abfiel. Mehr und mehr keimte in ihr der Verdacht auf, immer tiefer ins Innere des Berges vorzudringen. Wenn sie doch nur irgendwo einen Lichtschimmer entdecken konnte!
Aber da war nichts.
Nur die Luft wurde immer schlechter. Die Fackel verbrauchte mehr Sauerstoff als Claudia selbst. Und hier unten gab es keine Frischluftzufuhr. Das Atmen fiel dem Mädchen immer schwerer. Claudia seufzte und blieb endlich stehen.
Ratten und Ungeziefer sah sie schon seit einiger Zeit nicht mehr. Die Biester fanden hier wohl nichts mehr, wovon sie leben konnten. Bedeutete das aber nicht, daß dieser Weg nicht in die Freiheit führte, sondern vielleicht irgendwo blind endete?
Hatte man ihn vielleicht nur bis zu einem gewissen Punkt vorangetrieben und dann plötzlich aufgehört?
Wenn der Gang vor einer massiven Felswand endete, dann hatte sie ihr Spiel verloren.
Sie ging wieder weiter.
Die Fackel erlosch. Sie bekam nicht mehr genug Sauerstoff. Schlagartig wurde es stockdunkel. Claudia taumelte weiter. Sie fühlte sich matt und zerschlagen. Am liebsten hätte sie sich irgendwo hingehockt und geschlafen. Aber das durfte sie nicht. Dann war sie
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