1393 - Werwolf-Nacht
abfinden.
Die dunklen Nächte gehörten ihnen. Niemand kam ihnen da so schnell auf die Spur, und den Toten würde kaum jemand vermissen.
Wenn, dann konnten sie suchen, wo sie wollten, denn niemand wusste, dass er gerade ihren Laden betreten hatte.
Mit ihrer ›Beute‹ erreichte Kiri Bayonne das Flussufer. Sie wartete dort eine Weile und schaute zur andere Seite hinüber. Die Feuer waren weit entfernt und nur bei Dunkelheit zu sehen. Im Hellen hätte sie Probleme gehabt. Die Brücke war völlig mit der Finsternis verschmolzen. Kiri fühlte sich als einsame Person am Wasser sehr wohl, bis sie sich bückte und die Leiche anhob.
Sie schaukelte den Toten einige Male hin und her, bevor sie ihn losließ. Hochkant segelte er durch die Luft und klatschte wenig später in das Wasser. Sie schaute noch zu, wie er versank, wenig später aber wieder an der Oberfläche erschien und durch den letzten Schwung in Richtung Brücke getrieben wurde. Ob er dort ankommen würde, war die große Frage.
Kiri war zufrieden. Sie strich durch ihr Gesicht und spürte dort auch den Flaum. Die ersten Haare wuchsen. Sie waren heller als die der Mutter und deshalb nicht sofort zu sehen. Aber es würde zu einer Verwandlung kommen. So war es immer gewesen, und so würde es auch immer sein, bis sie irgendwann ihr Ende fanden.
Sie ging wieder zurück. Kiri Bayonne wollte ihre Mutter nicht zu lange allein lassen. Zwar hatte sie ihren Blutdurst gestillt, wobei man von einem echten Blutdurst jedoch nicht sprechen konnte, sie brauchte einfach die Vernichtung des normalen Lebens, aber sie war auffälliger als ihre Tochter, und in diesem Zustand durfte sie auf keinem Fall erwischt werden.
Sie ging wieder zurück und war froh über den bedeckten Himmel. So zeichnete sich ihre Gestalt nicht vom Boden ab. Das wäre bei Mondschein anders gewesen.
Den Van hatte sie in einer kleinen Senke abgestellt. Hier war er vor irgendwelchen Blicken fremder Menschen geschützt, und sie fand ihn auch so vor, wie sie ihn abgestellt und abgeschlossen hatte.
Sie öffnete den Wagen und schaute zum Rücksitz hin, wo ihre Mutter sich aufhielt. Das Licht der Innenbeleuchtung hatte sie abgeschaltet. Da ging sie auf Nummer Sicher.
Alice Bayonne hatte sich hingelegt. Sie lag längst auf dem Sitz.
Wer sie zum ersten Mal sah, der hätte sie auch für einen übergroßen Wolf halten können, der satt und zufrieden war und deshalb schlief.
Da gab es nichts Menschliches mehr an ihrem nackten Körper. Sie war von den Füßen bis hin zum Kopf zu einem Werwolf geworden, dessen Maul offen stand, sodass Kiri das Schimmern der Zähne sehen konnte.
»Geht es dir gut, Mutter?«
Alice verstand ihre Tochter trotz des Zustands. Und sie antwortete auch. Nur auf ihre Art und Weise, denn Kiri hörte ein zufrieden klingendes Knurren.
»Die Nacht ist noch nicht vorbei«, sagte Kiri. »Aber ich bin noch nicht so weit. Ich weiß auch nicht, ob ich mich in dieser Nacht ganz verwandeln werde. Da müssen wir abwarten.«
Alice richtete sich auf. Der Kopf schaute jetzt über die Sitzlehnen hinweg nach vorn. Wieder öffnete sie das Maul, als wollte sie anfangen zu gähnen, was aber nicht zutraf. Aus dem Rachen fuhr nur ein Zischen. Es reichte Kiri als Antwort.
Die Wagentür ließ sie offen, als sie sich ein kleines Stück zurückzog. Sie tat das, was sie tun musste. Es war hinderlich, wenn sie bei der Verwandlung ihre Kleidung trug. Sie hatte sich darauf eingestellt, dass es besser war, nackt zu sein, und so vollführte sie den Striptease neben dem Van.
Ihre Sachen schleuderte sie auf den Beifahrersitz, und nur die Schuhe ließ sie an.
Nackt präsentierte sich Kiri Bayonne den Augen der Nacht. Sie hatte das Gefühl, von allen Seiten aus der Dunkelheit heraus beobachtet zu werden. Die Geister der Nacht schienen sich um sie herum versammelt zu haben, und die präsentierte sich ihnen gern.
Mit beiden Händen strich sie über ihren Körper hinweg. Sie streichelte zuerst die recht hoch angesetzten Brüste mit den dunklen Warzen. Sie führte danach ihre Handflächen an den Seiten entlang nach unten, zeichnete den Schwung der Hüften nach, strich über die Taille hinweg und erreichte schließlich die Oberschenkel, an denen die Hände ebenfalls entlangfuhren. Es tat ihr gut. Sie brauchte das, denn auf den Wegen über ihren Körper hinweg spürte sie all die feinen Haare, die allmählich aus ihren Poren wuchsen und dafür sorgten, dass sie ihrer Mutter immer ähnlicher wurde. Bei Alice hatte es sofort
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