1393 - Werwolf-Nacht
Dschungel aufgehalten hat.«
Ich schaute über das dunkle Wasser. »Aber irgendwo muss der Wolf doch stecken.«
»Einer?«
Ich drehte den Kopf. »Du glaubst, dass es mehr sind?«
Benny hob die Schultern. »Ihr aber seid die Fachleute. Ich denke nur, dass Werwölfe auch im Rudel auftreten. Oder liege ich da so falsch?«
»Nein, nicht direkt. Sie können im Rudel auftreten, aber es muss nicht sein.«
»Tja, das Problem wird nicht kleiner.«
Da hatte Sir Benny die Wahrheit gesagt. Meine Gedanken beschäftigten sich auch mit den drei ausgebluteten Leichen, die wir auf dem alten Kahn gefunden hatten. Ich dachte darüber nach, ob ich Benny davon erzählen sollte. Im Prinzip war er für mich noch immer ein Polizist und in gewisser Hinsicht eine Vertrauensperson. Wenn ich ihn bat, den Mund darüber zu halten, würde er es bestimmt tun.
»Es ist nicht der einzige Tote«, sagte ich.
»Wieso?«
»Wir haben auf dem alten Kahn noch drei Leichen gefunden.«
»Was?« Mehr konnte er nicht sagen. Er deutete auf den Toten vor unseren Füßen.
»Nein, keine weiteren Werwolf-Opfer.« In den nächsten zwei Minuten erfuhr er von unserer Entdeckung.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, hauchte Sir Benny. »Zuerst haben wir es mit Werwölfen zu tun, und jetzt kommt ihr mir noch mit irgendwelchen Vampiren.«
»Es ist leider so.«
»Und jetzt wollt ihr vor mir wissen, ob wir diese verdammten Gestalten auch gesehen haben?«
»So ungefähr.«
»Nein, Geisterjäger, einen Vampir habe ich nicht gesehen. Uns hat schon das verfluchte Heulen gereicht.«
Ich dachte einen Schritt weiter und fragte: »Und wie sah es mit Besuch aus, den ihr nicht kanntet? Hat euch irgendeine fremde Person in der letzten Zeit aufgesucht?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Eine Frau vielleicht?«
»Ach, das erst recht nicht. Nein, das wäre aufgefallen. Wieso kommst du darauf?«
»War nur eine Idee.«
Sir Benny glaubte mir nicht, das sah ich ihm an. Aber er gab sich mit der Antwort zufrieden und stellte keine weiteren Fragen mehr.
Allerdings wollte er wissen, was mit dem Toten passierte.
»Wir lassen ihm zunächst hier liegen«, antwortete ich. »Morgen sehen wir weiter.«
»Sehr gut. Dann brauche ich den Leuten unter der Brücke auch nichts zu sagen.«
»Perfekt.«
»Aber wie geht es weiter? Wollt ihr abwarten, bis ihr eine neue Leiche findet?«
Es war wirklich eine gute Frage, auf die wir so schnell keine Antwort fanden. Wir wussten nicht, wo wir mit unserer Werwolf-Suche anfangen sollten.
Bisher waren wir von der Stille umfangen worden. Das allerdings änderte sich, denn plötzlich lag das Heulen in der Luft wie der Klang einer Sirene.
Keiner von uns hatte damit gerechnet. Wir schauten uns an, und in jedem Gesicht stand so etwas wie ein Schauer zu lesen. Vom anderen Ufer her wehte uns dieser unheimliche Klang entgegen, wie eine Drohung aus der finsteren Nacht.
Wir hatten sie noch immer nicht zu Gesicht bekommen, aber wir wussten jetzt, dass es sie gab, und damit war eine andere Runde eingeläutet worden…
***
Den Wagen hatte Kiri Bayonne so abgestellt, dass er nicht sofort entdeckt werden konnte. Danach hatte sie sich mit der Leiche beschäftigt und sie aus dem Wagen gezerrt.
Ihre Mutter blieb im Van sitzen. Was es hier zu erledigen galt, das wollte Kiri selbst in die Hand nehmen. Der Tote musste verschwinden. Da war der im Winter immer gut mit Wasser gefüllt Flussarm genau der richtige Ort.
Sie hatte den Toten an der Hand gepackt und schleifte ihn hinter sich her. Das Land war flach. Es gab nur wenig Deckung. Aber die Gegend war auch einsam. Wer sich um diese Jahreszeit hierher verirrte, dem war nicht zu helfen.
Nur auf der anderen Seite des Flussarms gab es so etwas wie Leben. Und zwar dort, wo man eine Brücke gebaut hatte, die kein Mensch brauchte, wie sich später herausgestellt hatte, denn die Straße, die von beiden Seiten her zur Brücke führte, war längst zu einer Piste geworden. Durch die unterschiedlichen Witterungsverhältnisse war der Asphalt aufgebrochen, und so hatte auch das Unkraut freien Raum erhalten.
Unter der Brücke hielten sich die Penner auf. Eine fast sichere Beute für sie. Beide – Mutter und Tochter – hatten gemeinsam zugeschlagen, und sie würden es wieder tun, wenn sie die Mordlust überfiel. Seit sie die Brosche erhalten hatten, war alles anders gekommen. Da hatte sich ihr Leben zumindest in manchen Nächten völlig verändert, war auf den Kopf gestellt, und damit mussten sie sich
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