1393 - Werwolf-Nacht
verhalten haben. Du nicht, und ich erst recht nicht.«
»Was hast du zu kritisieren?«
»Wir hätten sie uns schnappen müssen!«
»Das sagst du so einfach.«
»Zumindest ich.« Suko verzog die Lippen. »Der Fahrer hat sich auf dich konzentriert…«
»Es war eine Fahrerin«, korrigierte ich.
»Meinetwegen auch das. Ich hätte schneller sein müssen. Leider bin ich ausgerutscht, und in der Dunkelheit sind die Reifen eines Fahrzeugs sowieso schlecht zu treffen. Dann war auf einmal alles vorbei.«
»Schon gut.«
»Aber habe ich richtig gehört? Du hast von einer Fahrerin gesprochen?«
»Genau das.«
»Es gab zwei Personen in diesem Van.«
Ich nickte. »Die auf dem Beifahrersitz war ein Werwolf. Der Wagen selbst wurde von einer Frau gelenkt, die ich zuvor noch nie gesehen habe.«
»Wie sah sie aus?«
Da musste ich zunächst mal grübeln. »So genau kann ich dir das nicht sagen. Fast wie ein hoher Schatten, was natürlich nicht zutreffen kann. Aber so ähnlich hat sie tatsächlich auf mich gewirkt. Jedenfalls müssen wir davon ausgehen, dass sich ein Mensch und ein Werwolf zusammengetan haben.«
»Die auch wiederkommen werden.«
»Das hoffe ich mal. Sie haben Blut geleckt, und das geben sie nicht so leicht auf.«
Beide schauten wir dorthin, wo der Van verschwunden war. Er war nicht mehr zu sehen. Wie gern hätte ich jetzt das Scheinwerferpaar vor Augen gehabt. Doch aufgeben würden sie nicht. Da kannte ich diese Bestien einfach zu gut.
Für uns musste es weitergehen, und ich schlug Suko vor, unter die Brücke zu gehen, wo Benny und seine Freunde warteten. Einen Teil der Szene hatten sie bestimmt mitbekommen.
»Kein Problem, John. Wenn du mich jetzt fragst, freue ich mich schon auf die nächsten Stunden unter der Brücke. Das hat mir in meinem Leben noch gefehlt.«
***
Die Bestie riss die Tür so heftig wieder zu, als wollte sie diesen Teil des Wagens in ihrer Wut zerstören. Sie war sauer. Sie war auch in ihrem Zustand nicht mehr als normal zu bezeichnen. Sie hockte auf dem Beifahrersitz und schlug dabei mit den Pranken auf und nieder, sodass Kiri Bayonne Glück hatte, nicht getroffen zu werden.
Sie wusste, weshalb ihre mutierte Mutter so sauer war. Ein sicher geglaubtes Opfer war ihnen entwischt, und jetzt befanden sie sich auf der Flucht.
Sie rasten in das Gelände. Erst nach einigen hundert Metern kam Kiri in den Sinn, die Scheinwerfer zu löschen, sodass sie die Dunkelheit schützte und sie vom Fluss her nicht mehr gesehen werden konnten. Fast hätte Kiri den Van noch in eine Strauchgruppe gelenkt. Im letzten Augenblick erkannte sie das Hindernis und trat auf die Bremse.
Sie stellte den Motor ab, ließ den Zündschlüssel stecken und wartete ab.
Es gab keine Ruhe. Alice ließ das nicht zu. Sie hockte neben ihrer Tochter und schüttelte immer wieder ihren Schädel, sodass der Geifer von der Schnauze flockig weggeschleudert wurde und auch Kiri traf.
»Hör auf, Mutter!«
Knurren war die Amtwort.
»Wir können es nicht ändern!«
Diesmal knurrte die Werwölfin nicht. Und sie beruhigte sich zum Glück wieder, was ihrer Tochter ein Nachdenken ermöglichte. Um Alice kümmerte sich Kiri nicht. Sie schaute sich zunächst an und schaltete dafür sogar die Innenbeleuchtung wieder ein, damit sie einen Blick auf ihre Hände werfen konnte.
Da – es war passiert! Nicht so heftig, wie sie angenommen hatte, aber trotzdem sichtbar. Der Pelz auf ihrer Haut war dichter geworden, aber er war so hell, dass er nicht zu stark auffiel.
Wieder strich sie über ihr Gesicht und spürte auch dort die Veränderung. Auch hier hatte sich das Fell verdichtet. Es fühlte sich wunderbar weich an. Was für sie noch angenehm war, das würde einem normalen Betrachter einen Schock versetzen, denn sie war tatsächlich dabei, stufenweise zu mutieren, und wahrscheinlich würde in dieser Nacht noch aus ihr eine echte Werwölfin werden. Es ging bei ihr eben nur alles langsamer.
Das Ziehen in ihrem Gesicht fiel ihr erst jetzt auf. Die Haut war gespannt, weil sich etwas darunter bewegte. Sie schaute in den Innenspiegel und sah sich darin nicht mehr so klar wie sonst. Um ihren Kopf herum zeigte sich das Bild etwas verschwommen, was auch an ihren Augen liegen konnte, in denen bereits ein anderer Ausdruck lag.
Blonde Harre, blaue Augen!
So war es bei ihr gewesen. Das traf mittlerweile nur noch zum Teil zu. Zwar hatten die Augen die Farbe behalten, nur waren sie dabei härter und kälter geworden, und Kiri glaubte auch, einen Stich
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